Eschershausen (red). In einem detaillierten Variantenvergleich hat das Planungsteam der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV), Geschäftsbereich Hameln, insgesamt sieben Varianten für die Westumfahrung Eschershausen der B 64 intensiv untersucht. Der Variantenvergleich ist nun abgeschlossen, die begleitende Arbeitsgruppe traf sich im April zu ihrer vorerst letzten Sitzung.

Nach Abwägung aller Kriterien hat sich die Variante 2.1 als gesamtplanerisch empfehlenswert durchgesetzt. Sie umfährt den Kappenberg in offener Bauweise – in Teilen mit einem Einschnitt und mit Möglichkeiten der Verwallung. Die Alternativen – eine Querung des Kappenbergs mit einem Tunnel sowie eine Deckelung der Trasse – lagen in der Bewertung nahezu gleich auf. Mit 10 bis 20 Millionen Euro verursachen die Tunnel- oder Deckel-Varianten jedoch hohe zusätzliche Baukosten.

Eiverstanden mit dieser Variante sind werder die Samtgemeinde noch die Bürgerinitiative. „Herausgekommen ist die billigste Variante mit der maximalen Beeinträchtigung für die Menschen in unserer Stadt. Das ist für uns nicht akzeptabel“, sagt Eschershausens Bürgermeister Hermann Grupe. „Wir brauchen die Westumfahrung Eschershausens“, ist sich Grupe aber mit Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Anders einig. Und sie wissen bei dieser Forderung auch die Bürgerinitiative Westumgehung an ihrer Seite.

Sowohl die Stadt Eschershausen als auch die Samtgemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf haben wiederholt verdeutlicht, dass sie zur besseren Anbindung des hiesigen Raums an die Autobahnen bzw. die Oberzentren verbesserte Ost-West- und Nord-Südverbindungen benötigen. Hierzu zähle insbesondere auch die Westumfahrung von Eschershausen. Neben einer schnelleren Anbindung an Hannover und das dortige Autobahnnetz werde hierdurch auch eine Entlastung des Innenstadtbereiches von Eschershausen und des Ortsteils Scharfoldendorf erreicht.

„Diese Verkehrsverlagerung darf aber nicht zu Lasten der Bewohner der westlichen Stadtrandlage führen“, stellt Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Anders heraus. Stadt und Samtgemeinde fordern daher eine Verlagerung der Trassenführung von der Straße „Borwelle“ weiter weg vom Ort in Richtung Westen. „Die Menschen haben hier bisher eine von Verkehrslärm weitestgehend ungestörte reine Wohnnutzung mit angrenzender unberührter Natur im Umfeld gehabt und damit einen hohen Wohn- und Erholungswert, der nun stark beeinträchtigt würde mit zu befürchtenden Einwirkungen auch auf die Gesundheit“, erklärt Hermann Grupe. Dabei habe es durchaus weitere Varianten gegeben, die geringere Auswirkungen auf die Bewohner erzeugt hätten. Diese seien jedoch aus Kostengründen ausgeschlossen worden.

„Die Beratungen in der Arbeitsgruppe zur Westumfahrung Eschershausen haben gezeigt, dass eine für die Anwohner akzeptable Lösung realisierbar ist“, stellen Bürgermeister Grupe und Samtgemeindebürgermeister Anders als Ergebnis der Beratungen heraus. „Die Tunnelvariante durch den Kappenberg liegt im Vergleich auf Platz zwei. Sie ist sowohl für die Menschen, als auch für Natur und Umwelt die weitaus beste Variante. Jetzt geht es darum, die Verantwortlichen in Land und Bund davon zu überzeugen, dass die ca. 20 Millionen Euro Mehrkosten gut angelegtes Geld sind“.

Die Einrichtung der Arbeitsgruppe zur Westumfahrung Eschershausen und die Arbeit darin wird ausdrücklich begrüßt und für sinnvoll erachtet, da hierbei die unterschiedlichen Standpunkte und Bewertungen der jeweiligen Trassenvarianten detailliert besprochen und kurzfristig neue Einschätzungen geprüft werden konnten.

Es seien aber volkswirtschaftliche Gesichtspunkte außen vor geblieben, da durch die stadtnahe Trassenführung und den damit verbundenen Verkehrseinwirkungen eine Wertminderung der Wohngrundstücke zu befürchten ist.   

Letztlich bleibe auch das Neubaugebiet am Kappenberg von den Beeinträchtigungen nicht verschont mit der Folge einer schlechteren Vermarktung bzw. Wertminderung der Wohnbaugrundstücke.

Bürgermeister Grupe betont, dass die Stadt Eschershausen daher eine Trassenplanung mit negativen Auswirkungen auf die Bewohner nicht akzeptieren kann. Es werden daher weitere Anstrengungen unternommen, die für die Bevölkerung tragbare Tunnellösung zu verwirklichen.

Sieben Varianten im Vergleich

Um den Ortskern von Eschershausen verkehrlich zu entlasten, hatte der Geschäftsbereich Hameln der NLStBV verschiedene Varianten für den Trassenverlauf intensiv geprüft. Dazu gehörten Trassen, die um den Kappenberg herumführen, sowie Varianten, die den Kappenberg mit einem Tunnel oder einem Einschnitt durchqueren würden.

Alle Varianten untersuchten die Experten der NLStBV gründlich u. a. auf ihre Umweltverträglichkeit, ihre Wirtschaftlichkeit und ihre verkehrliche Eignung. Mehr als 70 Bewertungskriterien wurden dazu betrachtet. Für jedes Bewertungskriterium wurden die Untersuchungen neu erstellt und beispielsweise umfangreiche Gutachten von unabhängigen Fachbüros erstellt. Nach eingehender Bewertung all dieser Aspekte wurden die Varianten – inklusive der jeweiligen überschlägigen Kosten – miteinander verglichen und gegenübergestellt. Dabei erwies sich die Variante 2.1 als die gesamtplanerisch günstigste: Insbesondere bei den Punkten Wirtschaftlichkeit, verkehrliche Beurteilung und sicherheitstechnische Bewertung zeigt sie vorteilhaftere Werte als die Vergleichsvarianten.

Verlauf der neuen B 64 Westumfahrung Eschershausen

Die Variante 2.1 zweigt südlich von Eschershausen vor dem Parkplatz Schelenhufe von der bisherigen B 64 ab und schwenkt nach Westen. Sie überquert den Angerbach und verläuft dann zwischen dem Kappenberg und dem Ortsteil Scharfoldendorf. In Nähe der Wohnbebauung verschwindet die Straße hinter einer Verwallung. Eine Brücke führt die neue B 64 über das Lennetal, bevor sie an den Kreisverkehr zur B 240 anschließt.

Dieser Trassenverlauf entspricht der Variante, die bereits im Jahr 2011 im Rahmen des Raumordnungsverfahrens landesplanerisch festgestellt wurde und auf deren Basis das BMVI eine konkrete Linienführung bestimmte. Unter Berücksichtigung der Maßgaben der Landesplanerischen Feststellung wurde die Linienführung geringfügig angepasst und 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die grundsätzliche Trassenführung führte jedoch zu Bedenken in der Eschershäuser Bevölkerung: Eine Bürgerinitiative zur Westumgehung, die sich im August 2018 gründete, brachte u. a. eine Querung des Kappenbergs mit einem Tunnel in die Diskussion ein. Diese sowie verschiedene weitere Varianten untersuchte der Geschäftsbereich Hameln nun in einem neuen Variantenvergleich sehr ausführlich.

Variantenvergleich von Arbeitsgruppe transparent begleitet

Um den Variantenvergleich transparent und für alle Seiten nachvollziehbar zu gestalten, hatte der Geschäftsbereich Hameln der NLStBV im Herbst 2019 eine planungsbegleitende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ziel der Arbeitsgruppe war es, unterschiedliche Sichtweisen auf die Planung an einen Tisch zu bringen. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, die Variantenprüfung transparent zu begleiten und den jeweils aktuellen Stand miteinander zu diskutieren. Zu den Mitgliedern zählen Vertreter der Stadt Eschershausen und der Samtgemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf, des Landkreises Holzminden, der Initiative B 240, von Umwelt- und Naturschutzverbänden, der Bürgerinitiative zur Westumgehung sowie der Landwirtschaft vor Ort. Seit Herbst 2019 traf sich die Arbeitsgruppe zu insgesamt fünf Sitzungen und diskutierte dabei verschiedene Aspekte des Variantenvergleichs.

In den Gesprächen innerhalb der Arbeitsgruppe wurden die unterschiedlichen Positionen und Erwartungen der einzelnen Interessenvertreter deutlich. So setzten sich Vertreter der Bürgerinitiative und der Stadt Eschershausen beispielsweise intensiv für eine Variante ein, die den Kappenberg mit einem Tunnel quert und so weiter vom Stadtgebiet entfernt wäre. In den insgesamt fünf Sitzungen haben das Planungsteam der NLStBV und zuständige Experten die Untersuchungsmethoden vorgestellt und erläutert und gemeinsam mit den Arbeitsgruppenmitgliedern detailliert über die Bewertungen einzelner Kriterien diskutiert. Diese Gespräche führten schließlich dazu, dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe – auch wenn sie eine andere Variante favorisieren – das Ergebnis des Variantenvergleichs fachlich nachvollziehen können.

Einschätzungen der NLStBV

„Einen Variantenvergleich derart transparent darzustellen und offen zu diskutieren ist bisher bei der Straßenplanung eher selten. Unser Ziel war es, die Untersuchungsmethoden und Bewertungen der einzelnen Kriterien grundlegend zu erläutern und mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe im Dialog zu besprechen. Ich habe Verständnis für die Enttäuschung einiger Arbeitsgruppenmitglieder und kann gut nachvollziehen, dass nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden sind“, sagt Markus Brockmann, Leiter des Geschäftsbereichs Hameln der NLStBV.

Uta Weiner-Kohl, zuständige Projektleiterin der NLStBV, ergänzt: „Die Diskussion innerhalb der Arbeitsgruppe verlief offen und sehr konstruktiv – für diese gute Zusammenarbeit möchten wir uns bei allen Mitgliedern bedanken. Auch wenn das Ergebnis der Variantenprüfung nicht alle Teilnehmer zufrieden stellt, so haben wir sehr offen miteinander über die unterschiedlichen Sichtweisen, die fachliche Bewertung und die sensiblen Aspekte der Planung diskutieren können.“

Stimmen aus der Arbeitsgruppe

Landrat Michael Schünemann, Landkreis Holzminden: „Mit dem Ergebnis des Variantenvergleichs sieht sich der Landkreis in seiner Arbeit bestätigt. Schon in dem 2009 begonnenen Verfahren war die Regionalplanung der Verwaltung zu der gleichen Entscheidung gekommen. Mit dem von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr jetzt noch einmal durchgeführten Variantenvergleich ist die Hoffnung verbunden, dass durch die intensive, transparente und ergebnisoffene Diskussion in der gemeinsamen Arbeitsgruppe ein besseres Verständnis und am Ende auch größere Akzeptanz für den Entscheidungsprozess erzielt werden konnte. Jetzt gilt es, die weiteren Planungs- und Ausführungsmaßnahmen zügig voranzutreiben.“

Helmut Schneider, Vorsitzender der B 240-Initiative Holzminden: „Die Mitglieder der B 240-Initiative Holzminden in der Arbeitsgruppe B 64 Westumfahrung Eschershausen sind von der Arbeits- und Vorgehensweise der Arbeitsgruppe und der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsbereich Hameln, mit dem Vergleich der sieben Varianten sehr angetan. Eingehende Prüfungen, Untersuchungen und Gutachten auf die Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und verkehrliche Eignung haben die Grundlage geschaffen, eine präzise Bewertung von drei möglichen Streckenvarianten zu erhalten. Die B 240-Initiative Holzminden wünscht sich, dass eine Lösung ohne Rechtsstreitigkeiten und damit eventuell verbundene Verzögerungen gefunden und umgesetzt wird.“

Friedhelm Bandke, Ehrenvorsitzender des MTSV Jahn Eschershausen: „Dem Variantenvergleich ist fachlich nichts hinzuzufügen. Transparenz ist gegeben, das Ergebnis aber nicht im Sinne des Vereins. Viele Mitglieder befürchten als Betroffene Nachteile durch die Variante 2.1, da Grundstücke und Immobilien stark an Wert verlieren werden. Einige werden sicher den Rechtsweg einschlagen, um ihre Interessen durchzusetzen – mit den entsprechenden Folgen für Dauer und Kosten der Baumaßnahme. Bislang hatten der Kreis Holzminden und auch die Stadt Eschershausen verkehrstechnisch stets das Nachsehen. Ich hoffe daher auf eine einvernehmliche Lösung. Unser Verein spricht sich nicht gegen die Westumgehung aus, sondern für eine geänderte Trassenführung zugunsten der Tunnel-Variante 3.3.“

Über die Westumgehung Eschershausen

Die im Landkreis Holzminden verlaufende Bundesstraße 64 ist Bestandteil des überörtlichen Bundesfernstraßennetzes und in Verbindung mit der B 240 und der B 3 die wichtigste Verbindung des Landkreises zum Großraum Hannover. Der Geschäftsbereich Hameln der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hat den Auftrag, eine Ortsumgehung der B 64 westlich und nordöstlich um die Landstadt Eschershausen im Norden des Landkreises zu planen und zu bauen – sie steht im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Während sich die Nordostumgehung bereits im Bau befindet, ist die Westumgehung noch in der Planungsphase.

Foto: Archiv