Bevern (haa). Eine ungewöhnliche Verbindung aus Kunst und Landwirtschaft sorgte am vergangenen Wochenende für Aufmerksamkeit auf dem Reiterhof Schoppe in Bevern. Der Berliner Künstler Wolfgang Bellmer – einst Bürgermeister von Holzminden – reiste an, um ein großformatiges Kunstwerk direkt vor Ort zu schaffen. Innerhalb von zwei Tagen verwandelte er eine 24 mal 2 Meter große Glaswand in ein farbenfrohes Werk der Farbfeldmalerei, das nun dauerhaft den Reitplatz ziert.
„Man muss sich auch mal etwas trauen“, fordert der aus Holzminden stammende Künstler. Wer seine Arbeiten betrachtet, versteht schnell, was er damit meint: Die Farben – leuchtend, grell, mutig – stehen sinnbildlich für Tatkraft und Lebensfreude. Eigenschaften, die Bellmer in der heutigen Welt oft vermisst.
Der „Allrounder“, wie ihn manche nennen, hat im Laufe seines Lebens vielseitige Erfahrungen gesammelt: als Rechtsanwalt und Notar, aber auch als Schriftsteller und Künstler. Eine ungewöhnliche Kombination, die für ihn dennoch stimmig ist. Denn Bellmer verfolgt seit jeher ein zentrales Lebensmotto: Dinge anpacken und mitgestalten. Dieses Credo übertrug er auf all seine Leidenschaften.
Seine Kunst entsteht ebenfalls aus diesem Impuls heraus. „Kurz gesagt: Es ist Kunst direkt aus der Tube“, erklärt Bellmer mit einem Augenzwinkern – und unterstreicht damit einmal mehr seine Haltung: nicht lange zögern, einfach machen.
Wahrscheinlich ist es genau diese Denkweise, an die sich viele Holzmindener noch erinnern. Bellmer ist eine bekannte Persönlichkeit der Region. Von 1993 bis 1996 war er Bürgermeister von Holzminden. Heute lebt der 85-Jährige in Berlin, hält aber engen Kontakt zur Heimat. In Eschershausen betreibt er die „Kulturwerkstatt Bellmer“ – ein Ort für Atelierarbeit, Lesungen, Workshops und kreative Angebote für sozial benachteiligte Kinder, darunter auch viele aus Flüchtlingsfamilien. Rund 5.000 Leinwände haben dort inzwischen ein Zuhause gefunden.
Die Verbindung zur Familie Schoppe reicht weit zurück. „Mit dem Vater von Gerald habe ich schon als Kind auf der Straße Fußball gespielt“, erzählt Bellmer. Als Gerald Schoppe sich vor einigen Jahren telefonisch meldete, erinnerte sich Bellmer sofort – spätestens, als das Stichwort „Sollingstraße“ fiel. 1945 hatten er und Geralds Vater diese kurzerhand in einen Fußballplatz verwandelt. Nach einem liebevoll neckenden „Blödmann – warum siezt du mich denn?“ begann eine enge Zusammenarbeit, die bis heute anhält. Ihr erstes gemeinsames Projekt fand sogar Eingang in Bellmers Buch „Elises Sohn – und verdächtig viele Zufälle“.
So unterstützte Bellmer etwa die Charity-Auktion beim ersten Beveraner Reitturnier 2023. In seiner Kulturwerkstatt entstanden gemeinsam mit Kindern bunte Pferdefiguren. Eines dieser Kunstpferde wurde beim Reitturnier versteigert, der Erlös ging vollständig an die Förderschule für geistige Entwicklung in Holzminden. Zwei Jahre später fragte Schoppe erneut an. „Ich war sofort dabei“, sagt Bellmer. „Solche Aktionen mit Gerald zu machen, das ist für mich etwas ganz Besonderes.“ Denn neben der familiären Geschichte teilen beide eine ähnliche Haltung: „Wir sind beides Menschen, die Dinge lieber umsetzen, als nur darüber zu reden“, so Schoppe.
Die Idee für das aktuelle Kunstprojekt entstand spontan: Beim Blick auf eine Lücke im Zaun rund um den Reitplatz. Während des jährlichen Turniers wird dieser Bereich für das Besucherzelt freigehalten. Doch für die restliche Zeit des Jahres wollte Schoppe dort ein optisches Highlight setzen – im wahrsten Sinne des Wortes einen neuen „Anstrich“. Er installierte eine Schiene, in die eine große Glaswand eingefügt werden konnte. Dass Bellmer seit Jahren auch auf Glas malt, passte hervorragend. „Glas ist wetterbeständig und eignet sich daher auch für den Außenbereich“, erklärt der Künstler.
Der besondere Clou: Die unbehandelte Seite der Glaswand ist später die Vorderseite – das bedeutet, dass Bellmer in umgekehrter Reihenfolge arbeiten muss. Was am Ende sichtbar ist, wurde zuerst gemalt. Eine künstlerische Herausforderung, die er immer wieder mit Freude annimmt. Am Samstag und Sonntag begann er jeweils um 10 Uhr, mit Pausen zum Trocknen der Farben. Bis in den späten Nachmittag arbeitete er konzentriert an dem Werk. Am Ende stand das fertige Gemälde auf dem Reiterhof – nicht zu übersehen und durchaus eindrucksvoll.
„Es soll ein lebensbejahendes Gefühl vermitteln – eine Art Lebensausrufezeichen in die Welt“, beschreibt Bellmer.