Wangelnstedt (rus). „Als ich nach Hause kam, waren Terrasse, Dach und Autos mit einer dicken Schicht Asche bedeckt“, erinnert sich Hubert Ahlbrecht heute. Das ist nun zwar schon fast 30 Jahre her, der Ärger mit der Asche-Deponie hält aber bis heute an. Ahlbrechts Grundstück in der Schulwiese in Wangelnstedt – direkt gegenüber liegt das seit Jahren nahezu unbebaute Baugebiet – liegt nur gut 150 Meter vom Rande der Deponie entfernt, die seit Jahren stetig wächst.
Vor einigen Jahren stellte man hier sogar Dioxine in Proben fest, giftige Stoffe, die womöglich mehr als „nur“ umwelt-gefährlich sind. Sie können sich in Blut und Leber einlagern, werden zwar hauptsächlich durch Nahrungsmittel aufgenommen, aber eben auch über die Lunge durch Feinstaub. Wie es derzeit um die Deponie steht und wie viel Asche künftig noch eingelagert werden darf, hat der Blickpunkt mit der Bürgerinitiative Wangelnstedt zusammengefasst.
"Wenn wir nichts unternommen hätten, wäre die Genehmigung womöglich so durchgegangen", erklären Hubert Ahlbrecht und Olaf Nolte von der BI Wangelnstedt. Es geht hierbei konkret um die Erweiterung der großen Asche-Deponie zwischen Wangelnstedt und Lüthorst, die seit dutzenden Jahren bereits stetig anwächst. Vor einigen Jahren wurde der Antrag gestellt, dort weitere 2,5 Millionen Tonnen einlagern zu dürfen. An die Deponie an-grenzende Grundstücke wurden bereits angekauft – bei der letztlichen Genehmigung dieses Vorhabens durch das Gewerbeaufsichtsamt machte die BI Wangelnstedt dem Betreiber allerdings einen Strich durch die Rechnung.
Doch zunächst erst einmal zurück auf Anfang:
Bei der heutigen Deponie handelt es sich tatsächlich um einen früheren Tagebau, aus dem viele Jahre lang Gips abgebaut wurde. Im Laufe der Jahre neigten sich die Gipsvorkommen ihrem Ende entgegen – was übrig blieb war ein großes Loch mitten in der Landschaft. Eine der möglichen Varianten danach war die Verfüllung des einstigen Gipstagebaus, was schließlich die GFR auf den Plan rief – die Gesellschaft für Rekultivierung aus Linz am Rhein. Ihr Auftrag: Die Abfuhr von Asche aus Kohlekraftwerken und die Endeinlagerung im ehemaligen Gipsbruch bei Wangelnstedt. Lastwagen liefern die vorwiegend aus Kohlekraftwerken von Volkswagen in Hannover und Wolfsburg stammende Asche nun bereits schon seit Jahrzehnten an, die schließlich auf dem, inzwischen von dem einstigen großen Loch auf einen sichtbar angewachsenen Berg, verteilt wird. Früher erfolgte die Anlieferung in nasser Form, heute ist es nur noch der Aschestaub, der durch die Fahrzeuge angefahren wird. Dies sorgt aber insbesondere bei Ostwind dafür, dass Feinstaub bis hin zu sichtbarem Asche-regen nach Wangelnstedt getragen wird. Als schließlich die GFR als Betreiber der Deponie einen Antrag auf Erweiterung stellte, wollten das die Bürger nicht mehr länger hinnehmen und formierten sich in einer losen Bürgerinitiative. „Wir wollten diese Erweiterung unbedingt verhindern“, erklären Olaf Nolte und Hubert Ahlbrecht. Beide Anwohner engagieren sich seit ihren Anfängen in der Bürgerinitiative.
Sie gehören längst zum Kernteam und brachten gemeinsam mit vielen weiteren Mitstreitern, auch aus den Nachbarge-meinden Lüthorst, Portenhagen, Markoldendorf und weiteren den Stein ins Rollen. Die BI zog in den vergangenen Jahren dazu alle Register. Sie involvierte Rechtsanwälte, Chemiker und die Politik. „Wir hatten Landtags- und Bundestagsabge-ordnete hier, waren auch mehrmals beim Umweltministerium und dem Gewerbeaufsichtsamt“, erklären Ahlbrecht und Nolte. Auch gab es eine Radiosendung und sogar das Fernsehen war in Wangelnstedt zu dem Thema. In Anwohnerversam-mlungen wurde informiert, auch gab es Demonstrationen, mehrere kleine und eine große. „Dass wir so etwas in Wangeln-stedt auf die Beine stellen, hätte anfangs keiner geglaubt“. Das Das ganze Dorf und viele Mitstreiter aus der Umgebung haben mitgezogen und der BI den Rücken gestärkt. Letztlich kann man, rückblickend betrachtet, in Wangelnstedt einiges als Erfolg verbuchen, wenn auch die Erweiterung nicht gänzlich verhindert werden konnte. „Wir haben auf jeden Fall erreichen können, dass die Betreiber inzwischen ihre von der Gewerbe-aufsicht erlassenen Auflagen einhalten“, resümiert Nolte. „Wir haben nichts unversucht gelassen“.
Anfang der 1990er Jahre, erinnert sich Ahbrecht noch, hatte es einen Zwischenfall auf der Deponie gegeben, bei dem ein Ventil den Aschestaub fälsch-licherweise in die Luft pustete. Der Staub rieselte in der ganzen Umgebung nieder, bedeckte Dächer, Gärten und Terrassen. „Damals haben wir der Firma viel Ärger gemacht“, so Ahlbrecht. Doch zu dieser frühen Zeit gab es noch fast keinerlei Kommunikation. Heute darf man in-zwischen sogar regelmäßig die Deponie nach Absprache besuchen. Es gab auch einen Runden Tisch mit allen Beteilig-ten, darunter dem Betreiber und auch Vertretern der Land-kreise Northeim und Holzminden, den Gesundheitsämtern von Kreis und Land sowie den Naturschutzbehörden. Die Stimmung bei diesen Zusammenkünften war in der Regel immer hoch explosiv. „Einmal haben wir deshalb sogar die Versammlung konsequent abgebrochen, weil bei der Teil-nahme bestimmte Personen des Betreibers von uns nicht erwünscht waren“, erinnert sich Nolte noch an eine Sitzung eines Runden Tisches.
Und auch wenn die GFR Staubmessungen anfangs ablehnte, wurden an verschiedenen Orten Messstationen aufgestellt, die inzwischen auch regelmäßig ausgewertet werden und eine höhere Transparenz bieten. Die zwischenzeitlich festgestellten Dioxine stellten sich später glücklicherweise als nicht ganz so extrem dar, wie ursprünglich befürchtet. „Jetzt haben wir aber die Gewissheit, dass sich die Werte nicht oberhalb der Grenz-werte befinden“, so Nolte. Es gibt neben diesen auch noch weitere Auflagen, wie etwa das Abdecken mit einer Erdschicht bei Ostwind und nur noch deutlich geringere Mengen, die künftig eingelagert werden dürfen.
Anstatt der ursprünglich beantragten 2,5 Millionen Tonnen sind es am Ende „nur“ noch 550.000 Tonnen,
die durch das Gewerbeaufsichtsamt genehmigt wurden. Doch trotzdem ist das Thema noch längst nicht vom Tisch. „Die GFR hat Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht eingereicht“, erklärt die Bürgerinitiative. So soll gegen das Verbot der Revision geklagt und letztlich das Urteil ange-fochten werden. Stand heute darf die GFR bis ca. 2032 in der Deponie einlagern, wesentlich höher soll sie dadurch allerdings nicht mehr werden. „Wir gehen davon aus, dass die Endhöhe inzwischen erreicht ist“, erklärt Hubert Ahlbrecht. Hinzu kommen am Ende noch, so sieht es die Genehmigung vor, eine Deckschicht aus einer Plane, Erde und Mergel, die schließlich begrünt werden soll. So ist der Plan, dass irgendwann sprichwörtlich Gras über die Sache wachsen wird.
Letzte Hoffnung ein Vogelschutzgebiet?
Wie geht es nun weiter? „Wir warten die Klage der GFR und die Reaktion der Gerichte ab. Mehr können wir im Moment nicht machen“. Fest steht allerdings, dass man im Laufe der Jahre viel hat erreichen können. „Das Ziel war natürlich die komplette Verhinderung der Erweiterung“. Das ist zwar nicht geglückt, dennoch hat man mit der Mindermenge, die nun nur noch eingelagert werden darf sowie einigen weiteren Auflagen viel für die Bevölkerung getan. Und man wird, so machen Ahlbrecht und Nolte deutlich, auch in Zukunft nicht tatenlos zusehen und weiterhin aktiv bleiben. Neben der Tatsache, dass Deutschland immer weniger Kohlekraftwerke haben wird, ist eine letzte Hoffnung auch noch, dass der Landkreis Northeim das Gebiet rund um die Deponie als Vogelschutz-gebiet ausweist. „Das würde alle weiteren Erweiterungen verhindern“, sind sich beide BI’ler sicher. „Darauf hoffen wir“. Die Beurteilung finde derzeit statt, ein aktueller Stand ist nicht bekannt.
Fotos: rus, E. Schaumann