Stadtoldendorf (rus). Es ist laut am Kirchplatz in Stadtoldendorf. An vielen Stellen wird gehämmert, gebohrt und gestemmt. Die Großbaustelle, die sich rund um und auch in der evangelischen Kirche erstreckt, ist aber nicht nur hörbar, sondern auch bereits von weithin sichtbar. Denn das ganze Kirchenschiff samt Altarraum ist eingerüstet, sogar der große Kirchturm, mit 40,50 Meter ist er der höchste im ganzen Landkreis, versteckt sich bis zur Spitze hinter einem großen Gerüst. Grund ist eine Großbaustelle der Kirche, die hier stattfindet – und noch einige Monate andauern wird.

Hermann Kumlehn schaut wie fast jeden Morgen auf der Baustelle vorbei, trifft mit den Handwerkern die nächsten Absprachen und überzeugt sich vom Fortschritt der Bauarbeiten. Kumlehn ist seit ein paar Jahren im Ruhestand, seit 2012 (und zuvor von 2000 bis 2006) ist er ehrenamtlich im Kirchenvorstand aktiv und bringt sich ein. Als Vorsitzender des Bauausschusses der Kirchengemeinde, den er gemeinsam mit Dirk Verwohlt bildet, ist er, zusammen mit Christian Skibbe, Architekt der Landeskirche Hannover, erster Ansprechpartner der verschiedensten Gewerke vor Ort – und damit, gemeinsam mit dem Architekten, Manager der wohl größten Baumaßnahme in der Geschichte der Stadtoldendorfer Kirche. Dabei alles im Blick zu behalten, ist eine echte Herausforderung. „Wir wollen nichts vergessen, es wird wohl das letzte Mal für die nächsten Jahrzehnte sein, dass wir das als Gemeinde alles angehen können“, ist sich Kumlehn bei einem Rundgang durch das dunkle und eingerüstete Kirchenschiff sicher. Tatsächlich gibt es bei der Fülle an Bauvorhaben kaum einen Ort, wo nicht gerade gearbeitet wird oder noch etwas geplant ist. „Nur im Altarraum machen wir nichts“, sagt Kumlehn. Der Kirchenvorstand werde regelmäßig über den Fortschritt informiert.

Die wohl größte Maßnahme der Komplettsanierung ist die Sicherung des Kirchenbaus mit ihren zahlreichen Rissen im Mauerwerk. Schon 2013 habe man mit der Maßnahme begonnen. Man stellte fest, dass die großen Linden rund um das Kirchengebäude im Laufe der Jahre so viel Wasser aus dem Boden gezogen hatten, dass dieser an Tragfähigkeit verlor und dadurch das Kirchenschiff begann, sich unregelmäßig zu setzen. Rund 2,40 Meter tief ragt das Fundament der Kirche in den Erdboden. Man stellte große Risse innen und außen fest, handelte damals konsequent und lies alle elf Linden rundherum fällen. Im Laufe der Jahre erholte sich der Boden wieder, die Setzungen am Kirchenschiff kamen zum Stillstand. Nun gilt es, die Schäden zu beseitigen. Dazu werden jeweils mittig in den Außenmauern oberhalb der Fenster Spannstähle verbaut und auf diese Weise die Mauern mit einer nachträglichen Bewehrung verstärkt und gesichert. Mit einem speziellen Bohrer und meterlangen Bohraufsätzen werden derzeit schnurgerade Bohrungen durchgeführt. „Anhand einer gespannten Schnur wird sich orientiert, alle paar Meter sind Kontrolllöcher in der Wand geöffnet worden, um den Stand der Bohrkrone und des Bohrgestänges zu sehen“, erläutert Kumlehn. Es ist die elementarste Maßnahme der derzeitigen Großbaustelle. Später werden die Öffnungen wieder verschlossen, der Putz wieder ausgebessert und die Kirche bekommt einen neuen Anstrich rundherum.

Im unteren Bereich der Außenmauern stellte man zudem aufsteigende Feuchtigkeit fest, weshalb hier innen und außen der Putz abgestemmt werden musste. Er wird erneuert, mit speziellem Putzmaterial soll die aufsteigende Feuchtigkeit schadlos entweichen können. „Das sind Dinge, die heutzutage auf dem Bau selbstverständlich sind, früher gab es so etwas aber noch nicht“ erklärt Dirk Verwohlt. Die Sakristei nebenan werde gleich mit saniert, bekommt einen neuen Putz und Fußboden und eine kleine Küchenzeile, wo später etwa das Geschirr vom Abendmahl abgewaschen werden kann. „Bislang wurde das immer in einem kleinen Waschbecken gemacht“, so Kumlehn.

Weitere große Maßnahme ist die Renovierung der großen Kirchenfenster. „Wir bringen eine bruchsicheres Spezial-Außenverglasung an, die wertvollen Buntglasfenster werden mit einigen Zentimeter Abstand nach innen versetzt wieder eingebaut und so vor Witterung und Vandalismus geschützt“. Zunächst wird jedes einzelne Fenster, das aus vielen kleinen Elementen und Teilen besteht, vollständig auseinandergenommen. Kaputte Elemente werden erneuert, auch der Bleirahmen wird neu. Immerhin hatte hier der Zahn der Zeit vermutlich die letzten 100 Jahre genagt.

Neben diesen umfangreichen Maßnahmen soll 2020 auch die Orgel saniert werden, ein hinter der Orgel befindlicher Raum wird renoviert und gedämmt, auch die gesamte Elektrik in der Kirche wird auf den neuesten Stand gebracht. Am Dach wird der Übergang zum Turm erneuert, da hier in der Vergangenheit Regenwasser eindrang. Dies hat zu einigen morschen Dachbalken geführt, die ebenfalls ausgetauscht werden müssen. Am gesamten Turm und dem unteren Sockel-Mauerwerk wurden darüber hinaus alle Fugen ausgefräst und neu gefüllt, da auch sie schadhaft waren.

Im Inneren wird eine mit einer Glaswand abgetrennte Kinderspielecke entstehen. Auch sollen hier die Ausmalungen rundherum nach historischem Vorbild fortgesetzt werden, allein aus diesem Grund wird das Gerüst auch nächstes Jahr noch stehen. Hierbei eingeschlossen sind aber nicht nur die Wände, sondern auch die großen weißen Pfeiler im Kirchenschiff, immerhin jeweils neun Meter hoch, bekommen neue Farbe. Sämtliche Spenden, die in den vergangenen Jahren zum Zwecke der Renovierung gesammelt wurden, werden hier nun investiert. „Die Gelder nutzen wir zu 100 Prozent für ihren angedachten Zweck“, erklärt Kumlehn. Rund 300.000 Euro muss die Gemeinde für alle Arbeiten selbst stemmen, mit 600.000 Euro zusätzlich beteiligt sich die Landeskirche an den Gesamtkosten. „Unser großes Ziel ist es, dieses Weihnachten hier wieder Gottesdienst feiern zu können“, hofft Kumlehn. Das Gerüst innen werde dann zwar noch stehen, aber im Außenbereich wolle man dann fertig sein. Ungefähr Weihnachten nächstes Jahr soll dann alles abgeschlossen werden. Dann, so der Plan, soll erst einmal einige Dutzend Jahre Ruhe herrschen.

Die verschiedenen Maßnahmen im Überblick:

  • Ausbesserung von Putz und Neuanstrich im Außenbereich
  • Bewehrung des gesamten Kirchenbaus mit Spannstählen
  • Sanierung aller noch nicht sanierten Kirchenfenster
  • Erneuerung der Kirchenelektrik
  • Sanierung und Renovierung der Sakristei
  • Erneuerung der Fugen an Mauerwerk und Kirchturm
  • Neue Tragbalken im Dachbereich und Sanierung des Übergangs zum Turm
  • Sanierung der Orgelanlage
  • Renovierung und Dämmung des Zuluft-Raumes hinter der Orgel
  • Weiterführung der Ausmalung im Inneren nach historischem Vorbild
  • Einrichtung einer abgetrennten Kinderecke mit Glaswand

Fotos: rus, airfahrung.de