Bevern (r). Am Tag des Baches im Schloss Bevern äußerten Gewässer-Experten Zweifel, ob Niedersachsen die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen kann. Neben den ökologischen Konsequenzen drohen empfindliche Strafzahlungen.
Bereits im Jahr 2000 trat die EG-Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union in Kraft. Ziel der EU ist es, einen Großteil der Fließgewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Deutschlandweit ist dies bis zum Ende der ersten Frist nur zu acht Prozent gelungen, in Niedersachsen sind nur zwei Prozent der Zielvorgaben erfüllt worden. Doch obwohl die Fristverlängerung bis 2027 automatisch angepasst wurde und auch Fördermittel seitens der EU zur Verfügung stehen, sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Auf dem „Tag des Baches“, der in diesem Jahr die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in den südniedersächsischen Gebietskooperationen Weser-Emmer und Weser-Nethe zum Thema hatte und im Weserrenaissance Schloss Bevern veranstaltet wurde, beschäftigten sich lokale und überregionale Gewässer-Experten mit dieser Situation und mahnten unter anderem auch eine Änderung der Umweltgesetzgebung und der Fördermodalitäten an.
Dr. Moritz Reese vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig erläuterte die Situation. Ein von ihm geleitetes Expertenteam wurde vom Niedersächsischen Umweltministerium mit der Erstellung einer Studie über die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie beauftragt. In der Studie wurde festgestellt, dass vor allem die Nährstoffbelastung aus der Landwirtschaft kaum gesenkt werden konnte, beim Schadstoffeintrag durch Industrie und Kläranlagen hätte es zwar Fortschritte gegeben, aber diese reichten längst nicht aus. Weiterhin hätte man festgestellt, dass vor allem bei der Bodenakquise von Gewäserrandstreifen das Freiwilligkeitsprinzip nicht ausreiche. Reese forderte, dass auch für Umweltschutzmaßnahmen – ähnlich wie beim Straßenbau – Enteignungen möglich sein müssten.
Die Studie hätte zudem gezeigt, so Reese, dass die kleinen Unterhaltungsverbände aus Kapazitätsmangel und Interessenkonflikten zwischen Unterhaltung und Ausbau mit der Umsetzung von ökologischen Maßnahmen überfordert seien. Gleichzeitig sei es erstaunlich, wieviel von den Verbänden unter dem Prinzip der Freiwilligkeit trotzdem geschafft worden sei.
Referenten aus dem Kreis der Unterhaltungsverbände und Unteren Wasserbehörden bestätigten den Wissenschaftler in seiner Einschätzung. So erläuterte Matthias Dornbusch, dass der Landkreis Schaumburg angesichts der Fördermodalitäten schon den bürokratischen Aufwand bei der Beantragung von Fördermitteln kaum leisten könne. Es sei zu befürchten, „dass im Folgezeitraum noch weniger Fortschritte erzielt werden können“. Dornbusch wie auch andere Tagungsteilnehmer zeigten sich allerdings erfreut, dass zahlreiche Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasser, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) anwesend waren und sich offen für die Anliegen der Unterhaltungsverbände und Unteren Wasserbehörden zeigten.
Doch selbst, wenn alle Fördermittel abgerufen würden, wäre die zur Verfügung stehende Summe von 180 Millionen Euro, laut Dr. Reese, bei einem errechneten Bedarf von mindestens 750 Millionen Euro kaum ausreichend, um die Fließgewässer in Niedersachsen spürbar ökologisch zu verbessern.
Unter dem Titel „Die Novelle des Niedersächsischen Wassergesetzes – Schrittmacher auf dem Weg zum guten Zustand?“ erläuterte Martin Elsner vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, die Vorschläge des Umweltministeriums, die nun zur Abstimmung vorliegen. Ein Schwerpunkt der Novelle liege, so Elsner, bei der „Stärkung der natürlichen Entwicklungsdynamik der Gewässer, die zum Beispiel über die Möglichkeit zur Ausweisung von Entwicklungskorridoren und das Vorkaufsrecht für Grundstücke an Gewässern herbeigeführt werden soll“. Weiterhin ist beabsichtigt, eine „Modernisierung des Unterhaltungsbegriffs und die Stärkung des Instruments der Unterhaltungsordnung“ herbeizuführen. Eine weitere wichtige Botschaft war die Aussage, dass das Land nicht vorhabe, von dem Freiwilligkeitsprinzip abzurücken. Auch restriktive Maßnahmen wie die Enteignung von Gewässerrandstreifenflächen lehne das Umweltministerium ab.
Dr. Moritz Reese zeigte sich insgesamt sehr enttäuscht über die beabsichtigten Inhalte des Entwurfs der Novelle und sprach davon, dass „hier wohl eine Politik der ganz kleinen Schritte praktiziert werden soll“.
Ähnlich wie in anderen Bereichen – etwa bei der Luftreinhaltung – drohen Deutschland Geldbußen seitens der EU, wenn die Umweltschutzziele nicht eingehalten werden.
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