Göttingen/Holzminden (r). „Transformationsprozesse in ländlichen Räumen – Analyse, Bewertung und Gestaltung“ – das war das Leitthema der Jahrestagung 2019 des Arbeitskreises Ländliche Räume in der Deutschen Gesellschaft für Geographie, die jetzt auf Einladung von Prof. Dr. Ulrich Harteisen, Sprecher der HAWK-Forschungsgruppe „Ländliche Räume und Dorfentwicklung“ an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement in Göttingen stattgefunden hat. Der Arbeitskreis „Ländliche Räume“ versteht sich als Forum für Geographinnen und Geographen zur Auseinandersetzung mit theoretisch‐konzeptionellen und angewandten Fragestellungen mit Bezug zu ländlichen Räumen.
In sechszehn wissenschaftlichen Vorträgen wurden sozioökonomische und demographische Veränderungsprozesse sowie der Wandel von Lebensstilen in ländlichen Räumen in Deutschland und Europa betrachtet. Das Zusammentreffen gesellschaftlicher und ökonomischer Veränderungsprozesse stellt beispielsweise die Daseinsvorsorge insbesondere in peripheren Regionen vor gravierende Herausforderungen. Die Brisanz der Entwicklungen liegt dabei auch darin, dass sie bestehende soziale und regionale Gegensätze verstärken: Wachstums- und Schrumpfungsprozesse laufen räumlich und zeitlich parallel ab und schaffen unterschiedliche Bedingungen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Transformationsprozesse verändern so Teilhabemöglichkeiten an Daseinsvorsorgeleistungen und führen in einem Flächenland wie Deutschland auch dazu, dass die Einlösung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Chancengleichheit zunehmend von einer territorialen Komponente abhängig ist. In dieser Situation kann beobachtet werden, dass neben Stagnation und Resignation immer wieder endogene Entwicklungen, getragen von den Menschen vor Ort, zu signifikanten Verbesserungen der Lebensqualität beitragen können. Auch wenn die Initiativen und Projekte in jedem Ort spezifisch sind, so geht es doch stets um die Suche nach neuen Wegen, um die Kleinstadt oder das Dorf als Wohn-, Wirtschafts- und Lebensraum zu erhalten und an neue gesellschaftliche Bedingungen anzupassen.
Die ländlichen Räume sind offensichtlich auch für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein hochinteressanter Forschungsgegenstand, das zeigten die Vorträge des Nachwuchsworkshops. Das Themenspektrum der Vorträge reichte von einer Analyse der Digitalisierungsstrategien in Bayern, über die Herausforderungen der Schulentwicklung in ländlichen Räumen bis hin zur Frage der Relevanz der Nahrungsmittelselbstversorgung in tschechischen Dörfern. In der Diskussion ging es dann oft um methodische Fragen, aber immer wieder auch um die Relevanz der Forschungsergebnisse für die Praxis. Während im Rahmen des Nachwuchsworkshops insbesondere Promotionsvorhaben vorgestellt wurden, stellten im Rahmen der Jahrestagung Forschungsgruppen die Vorgehensweise und Ergebnisse von mehrjährigen Forschungsvorhaben vor. Das Spektrum reichte hier von der Vorstellung der Begleitforschung zur Qualifizierung von Dorfmoderatoren in Südniedersachsen über die Analyse und Gestaltung von Transformationsprozessen im niedersächsischen Wattenmeer-Raum bis hin zu einer Ausgabengeographie des böhmischen Erzgebirges.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, Tschechien und Österreich waren nicht zuletzt aufgrund dieser thematischen Breite fachlich gefordert. Umso erfreulicher, dass auch am dritten Tag der Tagung noch genauso engagiert und kompetent diskutiert wurde wie zu Beginn.
Prof. Dr. Ingo Mose von der Universität Oldenburg, Sprecher des Arbeitskreises Ländliche Räume, dankte allen Referentinnen und Referenten für ihre fachlich kompetenten und anregenden Vorträge. Bestandteil der Fachtagung war auch eine Halbtagesexkursion nach Duderstadt im Eichsfeld. Im Gespräch mit dem Duderstädter Bürgermeister Wolfgang Nolte und Karsten Ley, dem Geschäftsführer der gGmbH Duderstadt 2030, ging es um die Bedeutung von Digitalisierung und Städtebauförderung für ländliche Gemeinden, aber auch um Strategien zur Bindung von jungen Menschen an ländliche Räume und nicht zuletzt wurde das von Hans Georg Näder (OttoBock) angestoßene Projekt „Futuring Duderstadt“ diskutiert. Deutlich wurde, dass die Entwicklung neuer Wohnformen am Stadtrand von Duderstadt nicht in Konkurrenz zur Altstadt zu sehen ist, sondern eine Ergänzung des Wohnportfolios darstellt. „Wir sollten in Duderstadt auch attraktive Wohnangebote für Menschen vorhalten, die kein Fachwerkhaus wollen“, so brachte es Karsten Ley auf den Punkt.
Die Eichsfelder Kulinarik konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Abend im Dorfgasthaus ‚Der Kronprinz‘ im Dorf Fuhrbach erleben. Bei einigen Gläsern des Duderstädter Bieres ‚Heimatliebe‘ und Eichsfelder Stracke wurden die Eindrücke des Tages vertieft.
Wir waren sehr gerne Gastgeber des AK Ländliche Räume und werden die neuen Kontakte gerne nutzen, um die Forschung zu ländlichen Räumen in Deutschland und Europa weiter zu intensivieren, so Prof. Ulrich Harteisen nach drei intensiven und anregenden Tagen.
Foto: HAWK