Holzen (st). Die Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Holzminden e.V. führte am vergangenen Samstag eine Exkursion zu den Stätten der Zwangsarbeit im Hils, unter der Leitung von Jutta Henze durch.
Bereits im Vorfeld war die Nachfrage so groß, dass die angemeldeten Teilnehmer auf zwei Termine aufgeteilt werden mussten, sodass am kommenden Samstag, den 24. November 2018, eine weitere Exkursion stattfinden wird.
Nach einer kurzen Einführung im Gemeindehaus Holzen verlegten die Exkursionsteilnehmer zunächst zur Gedenkstätte Holzens. Von dort aus ließ es sich einen guten Überblick über die Lage Holzens und die Lage einiger ehemaligen Zwangsarbeiterlager verschaffen. Oberhalb des Forsthauses befand sich das Konzentrationslager Holzen als Außenstelle Buchenwalds. Noch in den 80er Jahren konnten hier die Fundamente des ehemaligen Lagers im Erdreich erkannt werden. Erst nach der Erschließung des Neubaugebietes wurden diese mit Erde zugeschüttet. Ein Model dieses Lagers, das nach Augenzeugenberichten gefertigt wurde, befindet sich in einer Dauerausstellung im Holzer Gemeindehaus.
Doch dieses Lager war nicht das erste Lager für Zwangsarbeiter in Holzen. Bereits 1936 gab es ein Gefolgschaftslager für die Arbeiter der DASAG. Im Anbau dieses Lagers wurden 1938/39 die ersten Zwangsarbeiter aus Polen und Tschechien untergebracht. Dieses Gemeinschaftslager für Ostarbeiter hatte im Vergleich zu den späteren Lagern keine Umzäunung und Überwachung, sodass die Arbeiter dort eine relativ freie Lebensweise führen konnten.
Ein weiteres Lager wurde, sowie das KZ-Lager, im Rahmen der deutschen Rüstungsproduktion in den letzten Kriegsjahren, am Rande der Straße zum Roten Fuchs eingerichtet. Dieses diente als Außenstelle des Zuchthauses Hameln/ Celle.
Aufgrund der Luftangriffe 1943 auf u.a. die Kraft durch Freude Werke in Fallersleben mussten die deutschen Rüstungsstätten verlegt werden. Hierbei bot sich das Stollensystem des Hilses an. Die weitreichenden Stollen der Asphaltindustrie im Hils sollten zur neuen Rüstungsstätte für die Herstellung der Vergeltungswaffe 2 werden und in den letzten Kriegsjahren die Produktion ermöglichen und aufrechterhalten.
Die Exkursion unter der Führung von Jutta Henze führt auch entlang der Eingänge des Stollensystems und zum nahegelegenen Ehrenfriedhof bei Holzen. Dieser ist seit 1995 zentrale Gedenkstätte des Landkreises Holzminden, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Auf dem Friedhof sind größtenteils Osteuropäer und Namenlose bestattet. Hier findet sich auch ein Gedenkstein an das Ehepaar Kiel, der von ehemaligen HZ-Häftlingen gewidmet wurde. Dieses Ehepaar bewohnte zu der Zeit des Konzentrationslagers das Forsthaus in Holzen und unterstützte die Häftlinge bestmöglich auf verschiedene Art und Weise, um ihre Situation ein wenig erträglicher zu machen. Im Jeden Jahr finden hier am Sonntag nach dem Tag der Befreiung Ausschwitz, am 27. Januar, eine Gedenkfeier zu Ehren der Opfer statt. Die nächste Gedenkfeier findet am 27. Januar 2019 am Ehrenfriedhof statt. Unter den Rednern sind nicht nur regionale Politiker, sondern auch einige Historiker.
Nach einem gemeinsamen Mittagsimbiss verlegten die Exkursionsteilnehmer zu der Erinnerungsstätte der Lenner Lager. Seit 2007 existiert dort eine Gedenkstätte mit einem durch Schüler der Region gefertigten Lehrpfad und einer Ausstellungsbaracke, die eine Dauerausstellung beinhaltet.
Entlang des Lehrpfades berichtet Jutta Henze von den damaligen Bedingungen und der Unterbringung der Zwangsarbeiter, sowie der Funktion der verschiedenen Lager. Hierbei wird nochmals deutlich, dass die Lager in Holzen und Lenne lange nicht fertiggestellt waren, sondern im Verlauf des Jahres 1945 weiter ausgebaut werden sollten. Da die Maschinen zur Fertigung der „Wunderwaffe“ V2 nicht in das niedrige Stollensystem passten, war beispielsweise eine Waldfabrik, in der Nähe der Lenner Lager, geplant und sollte im Dezember 1945 fertig gestellt werden. In den bereits erbauten Abschnitten dieser Waldfabrik konnten sogar einzelne Bauteile der „Wunderwaffe“ gefunden werden. Eine fertige Vernichtungswaffe 2 wurde in Holzen/ Lenne nicht produziert.
Nicht mal ein Jahr nach dem Beginn der Erbauung der Zwangsarbeitslager in Holzen und Lenne, in denen vor allem Polen, Russen, Franzosen, Italiener und Juden untergebracht waren, wurde Holzen am 7. April 1945 durch die alliierten Streitkräfte befreit.
Dies war jedoch nicht die Befreiung aller Häftlinge, die in Holzen untergebracht waren. Bereits am 3. April 1945 wurde die Holzer Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwalds geräumt und die Häftlinge in Güterwagons über Celle nach Bergen-Belsen deportiert. Bei einem Luftangriff auf den Celler Bahnhof wurden einige Häftlinge getötet. Andere kamen zunächst in Freiheit, die jedoch im Rahmen einer umfangreichen Suchaktion der Wehrmacht und der Zivilbevölkerung erneut gefangen genommen oder erschossen wurden. Die erneut in Gefangenschaft befindlichen Häftlinge wurden zum Teil zu Fuß in das KZ Bergen-Belsen getrieben.
Zu diesen Häftlingen gehörten auch der französische Arzt Armand Roux und sein Mithäftling Camille Delétang, die im KZ Holzen untergebracht waren. Beim Celler Luftangriff und dem anschließenden Massaker verlor Roux eine Mappe mit Zeichnungen, die Delétang von seinem Mithäftlingen in Holzen angefertigt hatte. Diese Zeichnungen wurden 2012 in der Gedenkstätte des KZ Bergen-Belsen abgegeben und ausgestellt.
In Zusammenarbeit mit der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben in Holzminden e.V. veröffentlichte er seine Aufzeichnungen und Erinnerung in dem Buch „Im Zeichen des Zebras“, welches 2015 in einer zweiten Auflage erneut veröffentlicht wurde und bei den Exkursionen in Holzen, bei der Bildungsvereinigung oder im Buchhandel erworben werden kann.
Fotos: st