Stadtoldendorf (red). Als ich diesen Bericht las, war ich erstaunt und erschüttert. Erstaunt, da dieser Bericht pure Suggestion ist. Erschüttert, da er ein bedenkliches Maß an zweifelhaftem Demokratieverständnis unserer Politiker offenbart.
Zunächst, Politiker haben nicht das alleinige Hoheitsrecht zur Deutung der Zahlen oder zur Annahme, was gut und richtig für uns ist. Politiker vertreten zunächst einmal uns, die BürgerInnen, und unsere Interessen und nicht ausschließlich ihre eigenen, teils persönlichen Interessen, die wir dann einfach zu akzeptieren und duchzuwinken haben.
Die Anmeldezahlen der Schüler sind gestiegen? Was bedeutet das und warum ist das so?
Suggeriert wird, dass das etwas Positives ist. Doch man kann diese Zahlen auch anders deuten. Unter anderem, mit einer über die Jahre gewachsenen und von der Politik geschürten Unsicherheit in der Elternschaft, was durch diesen Bericht ja noch weitergeführt wird. Das kann man doch nicht als Erfolg werten. Was bleibt den Eltern denn anderes übrig, bevor das Kind nirgendwo angemeldet ist?
Suggeriert wird, das Projekt sei ein Erfolgsmodell, obwohl es den Erfolgsnachweis erst noch erbringen muss.
Suggeriert wird, dass die Mehrheit der BürgerInnen dem Kreistagsbeschluss zustimmt. Mir ist keine entsprechende Befragung der BürgerInnen oder einer diesbezüglichen Wahl bekannt.
Suggeriert wird, dass bereits alles entschieden ist. Dem ist mitnichten so. Die beiden Bürgerbegehren wären längst erledigt, wären sie nicht zwei Mal wegen angeblicher und vielleicht auch berechtigter Formfehler, die jedoch nicht durch deren Initiatoren zu verantworten waren und sind, „verzögert“ worden.
Was, wenn diese Bürgerbegehren Erfolg haben und es daher einen Bürgerentscheid geben muss und dieser auch erfolgreich ist? Aber, diese Fragen werden in dem Bericht ja ebenfalls eindeutig beantwortet. Egal, was die BürgerInnen entscheiden und wollen, bzw. egal, wie der neue Kreistag nach den nächsten Kommunalwahlen in Niedersachsen am 13.09.2026 aussieht, man wird dieses Projekt weiterverfolgen und daran festhalten. D.h., auch am eventuellen Bürgerwillen vorbei. Das wäre ein undemokratisches, verachtenswürdiges Verhalten, nach dem Motto, wir machen eh, was wir wollen, euer Wille interessiert uns nicht. Genau dieses Bild entfernt immer mehr Menschen angewidert von der Politik. Kein Wunder, dass das Wahlverhalten an den Wahlurnen unserer Republik entsprechend „alternativ“ ausfällt.
Suggeriert wird, dass die beiden laufenden Bürgerbegehren einen falschen Weg beschreiten, mehr noch, dass sie dem Wohl der Kinder schaden. Soll heißen, sie sind falsch und unberechtigt. Das ist Populismus. Bürgerbegehren sind in Niedersachsen gesetzlich verbrieftes und demokratisches Recht der BürgerInnen. Mit dieser Rechtsnorm soll ja gerade mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung gefördert werden. Somit können Bürgerbegehren gar nicht falsch und unberechtigt sein. Bürgerbegehren haben immer einen Grund und in diesem Fall haben sie den Grund, dass sich BürgerInnen gegen einen Kreistagsbeschluss stellen, der aus ihrer Sicht unsinnig, undurchdacht und viel zu teuer für den Landkreis ist, der ja sowieso schon nicht weiß, woher er Geld nehmen soll, um seine Aufgaben zu erfüllen. Den BürgerInnen dieses Recht faktisch abzusprechen, sie dafür in diesem Bericht sogar öffentlich anzugreifen, ist schamlos.
Suggeriert wird, dass mit diesem Kreistagsbeschluss alle Unsicherheiten beseitigt seien und die Eltern das alles verstanden hätten. Wenn dem so wäre, warum laufen dann Bürgerbegehren?
Die BürgerInnen haben sicher genau verstanden, dass der Bericht auch mit einer Prise Angstmacherei gespickt ist. Zitat: Bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens würden sie (die Unsicherheiten der letzten zehn Jahre, die ja angeblich beseitigt wurden. Anm. des Verfassers) erneut entstehen und das innovative Konzept wäre gefährdet. Es würde den Kindern nachhaltig schaden. Zitat Ende. Das ist kein Fakt, sondern lediglich die Meinung der Politiker. Die BürgerInnen sehen das vielleicht anders und hätten das, wären sie von vornherein befragt worden, sicher auch kundgetan.
Die Bürgerbegehren haben nun bis Mitte Dezember Zeit, die geforderte Anzahl von jeweils 6.000 Unterschriften zu sammeln, um einen Bürgerentscheid gegen den Kreistagsbeschluss zu erwirken. Ich wünsche ihnen sehr, dass sie das schaffen. Mir ist in Stadtoldendorf jedenfalls kaum jemand bekannt, der nicht für die Bürgerbegehren ist.
Übrigens, liebe Fraktionsvorsitzende(n), Menschen, auch Politiker, dürfen sich umentscheiden. Auch wenn sie vorher für etwas gestimmt haben, haben sie die Freiheit, ja sogar das verfassungsmäßige Recht, sich, allein Ihrem Gewissen folgend, zu besinnen und dann zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Das, und nicht das öffentliche Diffamieren von, in ihren Augen, „Abweichlern“, nennt man Demokratie.
Klaus Berndt, Stadtoldendorf
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