Delligsen (red). Das Schulkonzept im Landkreis Holzminden müsse aus Sicht des Landrats Michael Schünemann überarbeitet werden, wozu er und weitere Vertreter des Landkreises beim Holzminder Bildungs- und Betreuungsgipfel den örtlichen Bürgermeistern zwei Alternativen zur Verbesserung des Schulsystems vorstellte. Die erste Alternative soll sich nur noch auf lediglich zwei Schulstandorte im gesamten Kreisgebiet konzentrieren. Holzminden soll hierbei der Anlaufpunkt für die SchülerInnen des Südkreises (Holzminden, Boffzen, Bevern etc.) werden, eine neue Integrative Gesamtschule (IGS) zwischen Eschershausen und Holzen solle den Nordkreis (Stadtoldendorf, Eschershausen, Delligsen etc.) abdecken.
In einer zweiten Alternative schlägt die Kreisverwaltung eine Reduzierung auf drei Schulstandorte vor. Holzminden, Bodenwerder und Stadtoldendorf sollen hierbei die zukünftigen Schulstandorte repräsentieren.
Insbesondere den Delligser Politikern stößt dabei eine Frage bitter auf: „Was passiert mit unseren Schülern und vor allem was passiert mit unserer Oberschule?“
Steht die Delligser Oberschule vor der Schließung? Glaubt man den Verwaltungsvorschlägen, ja. Doch das letzte Wort scheint in dieser Sache noch nicht gesprochen zu sein, denn auch Dezernatsleiterin Marieluise Niegel betonte zuletzt in der öffentlichen Schulausschusssitzung des Landkreises Holzminden, dass die beiden Alternativen lediglich Vorschläge seien, man aber für weitere Anregungen und Vorschläge offen sei.
Die Delligser Land- und Kreistagsabgeordnete Sabine Tippelt (SPD), Delligsens Bürgermeister Stephan Willudda (parteilos) und Oberschulleiter Thorsten Steuer wollen sich in dieser Sache aber nicht geschlagen geben und kämpfen weiterhin für den Erhalt der Delligser Oberschule. Neben der Einrichtung eines fraktionsübergreifenden Arbeitskreises wurden für die nächsten Wochen sowohl der Landrat, als auch verschiedene Kreistagsfraktionen in die Schule eingeladen, um sich ein Bild von der guten schulischen Arbeit und dem sanierungsbedürftigen Gebäude zu machen.
Den Anfang machte die SPD-Fraktion des Kreistages zusammen mit Vertretern der Ortschaften des Flecken Delligsens am Donnerstagabend.
„Wir sind in jedem Jahrgang stabil zweizügig aufgestellt und unsere Schülerzahlen wachsen. 12-14 Prozent unserer SchülerInnen kommen sogar aus dem Raum Alfeld und Umgebung“, teilte Schulleiter Steuer den Abgeordneten mit. „Bei den Abschlussjahrgängen sind die Klassen in den letzten Jahren immer dreizügig gewesen, da viele Schüler wieder aus den Alfelder Schulen zurückkommen und hier ihren Abschluss machen“, ergänzte Tippelt. Dies läge vor allem an den angenehmen Klassengrößen und der familiären Atmosphäre in der gesamten Schule, wie auch Schülervater Thorsten Hoffmann den SPD-Abgeordneten zu berichten wusste: „Unsere Kinder waren erst auf dem Alfelder Gymnasium, später dann auf der Alfelder Realschule. Auf beiden Schulen haben sie sich nicht wohlgefühlt und sind in der Klassengröße untergegangen. Hier, an der Oberschule, fühlen sie sich wohl und haben keine Probleme mehr. Wir sind hier glücklich und meine Kinder haben hier die gleiche Perspektive, wie auch auf der Realschule.“
„Die Alfelder Schulen machen keine schlechte Arbeit, aber unser Vorteil ist die Größe unserer Schule und die angenehme Arbeitsatmosphäre. Bei uns geht kein Schüler verloren, da wir sie alle dort abholen, wo sie gerade stehen und sie so nehmen, wie sie sind“, schilderte Steuer.
Im Gegensatz zu anderen Schulstandorten im Landkreis habe die Delligser Oberschule den Effekt, dass sie auch SchülerInnen aus dem benachbarten Landkreis heranziehen würde. „Durch unser Konzept ist das Spätzünden der Schüler möglich. So werden sie erst in den älteren Jahrgangsstufen in Haupt- und Realschulklassen geteilt und bekommen nicht direkt in der fünften Klasse den sogenannten Stempel Hauptschüler auf die Stirn. Sie können sich, ähnlich wie in der ehemaligen Orientierungsstufe, erst einmal entfalten. Vielen Eltern ist bei dem Namen Oberschule jedoch nicht bewusst, dass hier auch der Realschulabschluss oder gar der Erweiterte Realschulabschluss erlangt werden kann“, erklärte Steuer weiter.
Vor allem die breit aufgestellte Berufsorientierung, die durch zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen betreut werde, sei das Aushängeschild der Schule. „Uns verlässt kein Schüler ohne eine Perspektive. Entweder sie beginnen eine Lehre oder gehen auf eine andere Schule, um den Sekundarabschluss II zu absolvieren“, berichtet Steuer stolz.
Auch über die personelle Aufstellung habe er nicht zu klagen, im Gegenteil. Jedes Fach sei an den beiden Schulstandorten durch mindestens einen Lehrer besetzt. Die Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Englisch würden sogar durch mehrere Lehrer repräsentiert werden. Hinzu würde das Angebot der zweiten Fremdsprache kommen. Hier biete die Schule regulär Französischunterricht an, wobei auch wieder eine Sprachfahrt nach Frankreich in Planung sei. Als weitere Fremdsprache würde Spanisch in Form einer Arbeitsgemeinschaft angeboten werden.
Auf Präsentationswänden konnten sich die Abgeordneten selbst ein Bild vom Schulalltag und den vielen verschiedenen Bildungsangeboten machen, ehe sie die Gebäude der Oberschule besichtigten.
„Es kommt auch nicht selten vor, dass wir von Kollegen Initiativbewerbungen erhalten, obwohl wir gar keine Stelle ausgeschrieben haben. Wir sind hier gut aufgestellt und haben engagiertes und junges Kollegium zu bieten.“, ergänzte stellvertretende Schulleiterin Sarah Giebel.
„Wenn wir über Lehrer sprechen, dann müssen wir vor allem über die Grundschulen sprechen.“, klärte Kreistagsabgeordnete Sabine Tippelt auf: „Uns fehlen die Lehrer an den weiterführenden Schulen oft nur, weil diese an die Grundschulen abgeordnet werden.“
Im Zusammenhang mit den Grundschulen würden auch in Delligsen sogenannte Synergieeffekte vorliegen. Bereits jetzt würden die Schulen gut zusammen arbeiten und sogar gemeinsame Fortbildungen planen und sich gegenseitig unterstützen. Der Schulkomplex an der Schulstraße würde für viele Möglichkeiten offen sein.
Um jedoch einen weiteren und vor allem zukunftsfähigen Betrieb ermöglichen zu wollen, müsste vor allem an den Oberschulgebäuden etwas passieren. Die Gebäude aus den 60er- und 70er-Jahren sind stark sanierungsbedürftig, da in den letzten 15 Jahren Investitionen vom Landkreis fehlten. Die Kreisschulbaukasse sei leer, die Mittel nicht vorhanden, um die Schule vollumfänglich zu sanieren oder gar neu zu bauen. Ähnlich sehe es an den Schulstandorten Bodenwerder und Stadtoldendorf aus.
„Wir kommen nur gemeinsam aus dem Finzanzengpass heraus. Es ist architektonisch ein traumhaft schönes Gebäude.“, erklärte SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender Dirk Reuter. „Um alle kleinen Schulen zu erhalten, müssen die Gemeinden finanziell mit in die Bresche springen. Der Zustand wie er jetzt ist, ist mehr als unbefriedigend und wir müssen endlich handeln.“, forderte er seine Fraktionsmitglieder in der Oberschule auf.
„Wir müssen über unsere Schulen und deren Zukunft einen offenen Dialog führen. Es sind noch viele Fragen offen, die vor einer Beschlussfassung geklärt werden müssen. Es steht noch nichts fest und es ist ein offener Prozess. In Delligsen haben wir bereits eine Arbeitsgruppe fraktionsübergreifend zu dem Thema gebildet, mit der wir weiter tagen und nach Lösungsvorschlägen suchen werden. Als Fraktionsvorsitzende hier in Delligsen werde ich mich in jedem Fall weiterhin für den Erhalt der Oberschule einsetzen.“, positionierte sich Tippelt gegenüber ihren Kreistagskollegen.
Rückendeckung gäbe es auch aus dem Nachbarlandkreis: „Die Politik der Samtgemeinde Leinebergland, insbesondere die Duinger Vertreter, wollen sich für den Erhalt der Oberschule mit einsetzen. Seit über 30 Jahren besteht hier an dieser Stelle ein Schulverbund zwischen den beiden Landkreisen, der jetzt nicht einfach aufgegeben werden darf.“, erklärte Giebel.
„Wenn der Landkreis hier noch unsere Schule schließen will, da stelle ich mir doch überspitzt gesagt die Frage: Was haben wir hier vom Landkreis Holzminden?“, resümierte Grünenplaner Ortsratsvertreterin Kerstin Gattermann-Schrock. Es sei ja nicht nur die Schule, die in einem desolaten Zustand sei, sondern auch die Kreissporthalle, die nach der Flüchtlingsunterkunft noch immer auf die Erneuerung der sanitären Anlagen warte.
Die Schulfrage im Landkreis Holzminden bleibt offen. Fest stehe in jedem Fall, dass sich der Delligser Arbeitskreis um den Delligser Rat und Verwaltung in der Schulfrage nicht geschlagen geben und für seinen Oberschulstandort kämpfen wird.
„Es geht uns nicht darum uns mit Stadtoldendorf und Bodenwerder zu bekämpfen, sondern uns gemeinsam stark zu machen. Dem Landkreis musst bewusst werden, dass auch ein Abriss der Gebäude viel Geld kosten würde. Die weiterführende Schule ist für uns ein wichtiger Standortfaktor in der Hilsmulde. Ich möchte nicht erleben, dass der Kirchturm das letzte ist, was irgendwann noch da ist. Die Schulen müssen in der Fläche erhalten bleiben, wenn wir wollen, dass unsere Infrastruktur und vor allem unsere Vereine erhalten bleiben.“, stellte Bürgermeister Willudda klar.
Foto: SPD