Hildesheim (red). Beim IHK-Jahresempfang in Hildesheim war auch die Zukunft der Innenstädte ein Thema. Grundsätzliches zur Lage der Wirtschaft sagte IHK-Präsident Gerhard Oppermann, und Anmerkungen zur Bildungslandschaft kamen von Hildesheims Uni-Rektorin May-Britt Kallenrode.
Was für ein Bild! Stefan Kühn, IHK-Vizepräsident, verglich die Lage der Innenstadt mit der eines Boxers – „in der dritten Runde, ordentlich durchgeprügelt.“ Und in den letzten zwei Runden hat er auch einige Tiefschläge abgekriegt, meint der Sicherheitsunternehmer und dürfte dabei die Pandemiejahre vor Augen haben. Aber, und das mit einem Ausrufezeichen: „Er ist noch nicht k.o.!“ Was der angeschlagene Boxer jetzt braucht, gilt nicht anders für die Innenstädte: ein Strategiewechsel – neue, schnelle Reaktionen.
Kühn weiß, wovon er spricht, ist er doch auch mit Ladengeschäften in Hildesheim und Hannover unterwegs. Der Boxer-Vergleich war seine Antwort auf die Frage von Moderator Yannic Wittenberg: „Leben die Innenstädte noch?“ Neben Kühn diskutierten darüber IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt sowie aus dem Landeskabinett Olaf Lies, der als Minister nicht nur für Umwelt, sondern auch für Bauen zuständig ist.
Rückkehr, das war ein wichtiges Wort an diesem Abend. Denn: „Wir haben das Leben in der Stadt verloren.“ Sagte Olaf Lies und erinnerte einmal mehr an die Entstehung von Nebenzentren außerhalb der Innenstädte, wobei er sich das Stichwort Grüne Wiese sparte: Es ist wohl auch oft genug ausgesprochen worden. Der Entwicklung habe man bislang „mehr zugeschaut“, so Maike Bielfeldt und sprach von „entwohnten“ Zentren.
Also: Rückkehr. Der Landesbauminister etwa sieht eine Perspektive, auch Discounter wieder in die Innenstädte zu holen. Mit Maike Bielfeldt ist er sich einig, dass auch das Wohnen wieder in die Zentren gehört – gerade junge Menschen (Bielfeldt), gerne Studierende (Lies). Und Stefan Kühn hofft auf die Rückkehr der Flaneure und Flaneurinnen: „Lass uns einfach mal in die Stadt gehen.“ Wenn eine aktuelle Umfrage für Hildesheim zeige, dass die Menschen nur ungerne in die Stadt gingen, „dann machen wir etwas grundlegend falsch.“ Damit stößt er zum Kern der Diskussion um die Zukunft der Zentren vor: Aufenthaltsqualität, Erlebnisqualität sind entscheidend, betonten auch Maike Bielfeldt und Olaf Lies. Wenn man so will, die zweite Luft für den Boxer, um mit neuer Kraft in die nächste Runde zu gehen.
Aber wie? Quartiersgemeinschaften, auf gut englisch Business Improvement Districts oder kurz BIDs, sind ein Mittel, so Stefan Kühn. Vorteil unter anderem: Sie holen alle Beteiligten ins Boot, niemand kann sich wegducken. Zwischen Bau- und Umweltressort pendelnd sprach Olaf Lies vom Umbau der Innenstädte, von Entsiegelung und mehr grün, Pflanzen, und mehr blau, also Wasser. Maike Bielfeldt verwies auf den Innenstadtdialog in Hannover. Hier hat sich die Wirtschaft in großer Breite zusammengefunden, um ihre Positionen in die Waagschale zu Werfen. Unter anderem mit einem Aspekt, den die IHK-Hauptgeschäftsführerin auch beim Jahresempfang deutlich machte: Aus Sicht der Unternehmen muss die Erreichbarkeit der Innenstädte erhalten bleiben.
Und die Perspektive? Nach seinem Wunsch gefragt, wo denn Hildesheim in zehn Jahren stehen sollte, kam Vizepräsident Stefan Kühn erneut mit einem besonderen Bild. Wenn er dann in Finnland sein sollte, in Rovaniemi zum Beispiel, und im Menschen dort sagen, dass sie Deutschland besuchen, würde er sie fragen: Wohin genau? Und dann, so Kühn, sollen sie sagen: nach Hildesheim! Wobei er unterschwellig noch zwei andere, für die Zukunft der Innenstädte bedeutende Themen ansprach: Stadtmarketing und Tourismus.
Wobei Kühn der Gedanke an Skandinavien und Reisen vielleicht auch durch den Ort des Jahresempfangs nahegelegt wurde: Die rund 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung trafen sich am Ufer des Hohnsensees, um IHK-Präsident Gerhard Oppermann mit einer grundsätzlichen Standortbestimmung und Hildesheims Uni-Rektorin May-Britt Kallenrode mit Anmerkungen zur Bildungslandschaft zu hören – nach der pandemiebedingten Pause eine Premiere für den Empfang unter freiem Himmel. Traditionell war auch IHK-Vizepräsident Carl Otto Künnecke wieder mit einer Delegation aus Holzminden zum Empfang angereist.
„Lieber ein glücklicher Tischler als ein unglücklicher Lehrer“, startete Professorin Dr. May-Britt Kallenrode ihren Vortrag. Die Präsidentin der Universität Hildesheim wünscht sich einen stärkeren Austausch zwischen Schulen und Wirtschaft, insbesondere mit Blick auf die Durchlässigkeit des Bildungssystems. Heute fange man eine Form von Qualifikation an, und danach beginne man, sich vielfältig weiterzuentwickeln. Dies gelte es stärker zu kommunizieren. Auch zum Thema Doppelkarrieren regt die Präsidentin einen starken Austausch mit Unternehmen an, um Fachkräfte in der Region zu halten und zu binden.
Der Landkreis Holzminden war beim Empfang ebenfalls prominent vertreten: IHK-Vizepräsident Carl Otto Künnecke kam mit rund einem Dutzend Gäste zum Empfang.
Fotos: IHK