Ottbergen (TKu). Heute vor genau 80 Jahren ereignete sich die größte Katastrophe in der Geschichte Ottbergens: Am 22. Februar 1945 wurde der Ort von 33 viermotorigen Bombern der US-amerikanischen Luftstreitkräfte bombardiert. Der Angriff war Teil der Operation „Clarion“, die wichtige Verkehrsknotenpunkte im Deutschen Reich zerstören sollte. Doch viele der Bomben verfehlten ihr militärisches Ziel und trafen stattdessen Wohngebiete. 90 Menschen kamen ums Leben, zahlreiche Häuser wurden zerstört. Die heutige Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an diesen tragischen Tag findet um 14 Uhr am Tunneleingang am Lintrott/Ladestraße statt. Die Ortsgemeinschaft von Ottbergen hält damit die Erinnerung an die Geschehnisse wach und möchte die Opfer des Angriffs damit ehren. Hinter der Zahl der Opfer verbergen sich tragische Einzelschicksale. Maria und Hermann Burgdorf, die kurz zuvor den Luftangriff auf Dresden überlebt hatten, fanden in Ottbergen den Tod. Die Familie Groppe wurde nahezu ausgelöscht: Während Johannes Groppe an der Ostfront kämpfte, starben seine Frau Elisabeth und ihre fünf Kinder im Bombenhagel. Die jüngste Tochter war gerade neun Monate alt.
Ein tödlicher Irrtum - Der Tunnel als Falle: Besonders tragisch war die Situation im sogenannten „Sprung“, einem unterirdischen Durchlass unter der Eisenbahn, der als Luftschutzraum genutzt wurde. Über 100 Menschen suchten dort Schutz, doch mehrere Bombeneinschläge zerstörten das Mauerwerk, das einstürzte und zahlreiche Menschen verschüttete oder durch das einströmende Wasser ertrinken ließ. 41 Menschen verloren hier ihr Leben.
Aufbahrung der Toten in der Turnhalle: Nach dem Angriff begann die schwierige Bergung und Identifizierung der Opfer. Die Leichen wurden in etwa 60 Särgen in der Turnhalle aufgebahrt. Der damalige Hauptlehrer Fritz Starp hielt in der Schulchronik fest, dass sich dort herzzerreißende Szenen abspielten, als Angehörige Abschied nahmen. Manche Opfer waren so verstümmelt, dass die Särge geschlossen bleiben mussten. Auch vier Zwangsarbeiter aus Polen, Italien und Russland gehörten zu den Opfern. Die NS-Propaganda nutzte die Tragödie dennoch für ihre Zwecke. Während der Beisetzung am 28. Februar 1945 hing ein Banner mit der Aufschrift: „Deutschland muss leben – auch wenn wir sterben müssen“ – eine zynische Botschaft angesichts der menschlichen Tragödie.
Bernhard Scheideler, einer der wenigen Überlebenden, die sich noch an diesen Tag erinnern, setzt sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Geschehnisse ein. Er war damals vier Jahre alt und erinnert sich an das Heulen der Sirenen und die Panik seiner Familie. Sein Onkel, seine Tante und fünf ihrer sechs Kinder starben bei dem Angriff. Andere Zeitzeugen berichten von den schrecklichen Bildern nach dem Angriff. Die damals 12-jährige Betty Spalting überlebte nur, weil sie sich kurz vor der Bombardierung entschied, den Luftschutzraum im „Sprung“ zu verlassen. Josef Lüke, ebenfalls 12 Jahre alt, erinnert sich an die völlig zerstörten Gleisanlagen und an verzweifelte Menschen, die unter den Trümmern ihrer Häuser nach Angehörigen suchten.
Heute, 80 Jahre nach der Bombardierung, bleibt die Erinnerung an die Tragödie wach. Angesichts aktueller Kriege, extremistisches Gedankengut und politischer Entwicklungen mahnt er: „Die Menschen haben anscheinend nichts aus den schrecklichen Erlebnissen der Vergangenheit gelernt.“ Die Gedenkveranstaltung am 22. Februar 2025 soll nicht nur an die Opfer erinnern, sondern auch dazu aufrufen, sich mit der Geschichte Ottbergens und den Schrecken des Krieges auseinanderzusetzen.
Fotos: Archiv Ottbergen/Scheideler