Stadtoldendorf. Auch uns geht es um Bildungsqualität! Soweit stimme ich den Fraktionsvorsitzenden zu. Doch wenn Bürgerinnen und Bürger gegen einen Beschluss aufbegehren, bei dem sich die gewählten Volksvertreter einig sind, sehe ich eine demokratische Schieflage.
Ein besonderes Qualitätsmerkmal der Homburg Oberschule ist die Berufsorientierung für unsere Schülerschaft. Dank guter Kontakte zu örtlichen Betrieben, Institutionen und Vereinen verzeichnet unsere Schule den höchsten Anteil an Absolventen mit einem Ausbildungsvertrag. Trotz sehr unterschiedlicher Lernvoraussetzungen zeigt die Statistik unserer Abschlüsse überdurchschnittliche Werte in Bezug auf Bildungserfolg und Chancengleichheit. Diesen Erfolg verdanken wir zum Teil unserer Ausstattung. Die Homburg Oberschule verfügt über Laptops und WLAN, Computerräume, interaktive Tafeln in jedem Unterrichtsraum und engagierte Lehrkräfte, die das alles nutzen und in ihrer Freizeit instandhalten. Wir sind Pilotschule für das Fach Informatik und Vorreiter in Sachen Digitalisierung.
Betreuung und Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit erheblichen Benachteiligungen werden an unsere Schule selbstverständlich gewährleistet. Mit geringem baulichem Aufwand könnte das gesamte Schulgebäude zudem vorschriftsmäßig bis Juni barrierefrei gestaltet werden. Wir pflegen ein persönliches Verhältnis zwischen Lehrenden und Schülerschaft und können in kleineren Klassen den individuellen Bedürfnissen Einzelner eher gerecht werden. Die Zusammenarbeit mit Schulbegleitern und Schulsozialarbeit ist engmaschig. Welchen Vorteil soll da eine neue anonyme Riesenschule bieten?
Unsere Auszeichnung als sportfreundliche Schule, die wir mit Aushängeschildern weiterhin präsentieren könnten, verkommt zu einem leblosen Titel. Jetzt haben wir drei Turnhallen (davon eine mit drei Feldern) und einen großräumigen Außenbereich für den Sport zur Verfügung. Der städtische Sportplatz und das Freibad sind barrierefrei fußläufig erreichbar. Am Standort in Eschershausen gibt es nur eine Turnhalle, die künftig von drei SEK-I Schulen gemeinsam genutzt werden soll. Fraglich, wie da ein ausreichendes Angebot an Sportunterricht organisiert werden kann.
Für unsere Fahrschüler aus Heinade, Deensen, Arholzen und deren Ortsteilen wird die Busfahrt nach Eschershausen zweifelsfrei länger. Zudem werden 74 % unserer Schüler, die jetzt zu Fuß in die Rumbruchstraße kommen, zu Fahrschülern werden. Das bei der Heizung eingesparte CO₂ kommt dann beim Schülertransport an die Luft. Wollte Eschershausen mit der Umgehung nicht den Verkehr aus der Stadt verbannen?
Die Abwanderung in benachbarte Kreise hat die Politik begünstigt; gefestigte Bindungen an Schulen werden sich erst langfristig lösen. Auch die baulichen Mängel im Bestand sind hausgemacht, rechtzeitige Instandhaltungen wurden versäumt. Welch Widerspruch, diese Sanierungskosten jetzt als Argument für einen Neubau anzuführen! Bei dem Zahlenwerk fehlten bislang die Kosten für Abriss und Entsorgung sowie den steigenden Schülertransport. Und woher sollen die rund 200 Millionen Euro für das Gesamtpaket Schulneubauten herkommen? „Moderne“ Unterrichtsformen hängen nicht nur vom Bau, sondern auch von der Umgebung und dem Lehrpersonal ab. Eine über Jahre gewachsene soziale Struktur eines Kollegiums, persönliche Beziehungen und die Identifikation mit der Schule lassen sich nicht einfach einem neuen Gebilde überstülpen. Der aus der Wirtschaft entlehnte Begriff der „Synergieeffekte“ beim Personal- dort bedeutet er meist Stellenabbau - wird hoffentlich nicht auf den schulischen Kontext übertragen. Die Unterrichtsversorgung in unserer Region ist jetzt schon gering. Die Notwendigkeit der Abordnungen an Grundschulen zu deren vorrangiger Versorgung macht auch vor der neuen Nordschule nicht Halt. Und solange es keine bessere Vertretungsregelung gibt, ist eine höhere Unterrichtsversorgung keineswegs selbstverständlich, wie die Politik es weismachen will.
Der sogenannte „Kompromiss“ ist an den Beteiligten vorbei geschlossen worden. Stellungnahmen der Schulen und Gremien, Argumente der Städte und Bürger wurden und werden nicht ernsthaft geprüft. Sogar die Elternbefragung hat ergeben, dass eine IGS im Kreis nicht für nötig befunden wird. Dennoch wird die Option eines später hinzukommenden gymnasialen Zweiges als die Errungenschaft dargestellt. Kreispolitiker stellen hier ihre vermeintliche Sachkenntnis über die Interessen der Betroffenen.
Diesen Menschen möchte das Bürgerbegehren eine Stimme geben. Bei ihren Veranstaltungen haben die Initiatorinnen auf die Rechtsfolge einer erfolgreichen Unterschriftensammlung hingewiesen. Ein zeitlich begrenzter Aufschub bietet die Chance, ein tragfähiges Resultat zu finden, das Qualität in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht gewährleistet.
Petra Thiel
Vorsitzende des Schulelternrats der Homburg Oberschule
Mit-Initiatorin des Bürgerbegehrens
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