Bosseborn (red). Ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen zur Windenergie könnte auch für den Kreis Höxter wegweisende Folgen haben. In einem Schreiben an die zuständige NRW-Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, Mona Neubaur, weist Landrat Michael Stickeln auf die besorgniserregende Entwicklung hin. Sollte die betreffende Rechtsauffassung zukünftig auch auf andere Verfahren übertragbar sein, würde dies die bisherige verlässliche Planungsgrundlage für den Windenergieausbau erheblich infrage stellen.
Konkret geht es um eine Entscheidung des OVG zum § 36 Abs. 3 Landesplanungsgesetz NRW. „Dieser ermöglicht es den Bezirksregierungen, die Genehmigungsbehörden – wie etwa den Kreis Höxter – im Einzelfall anzuweisen, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergie auszusetzen, wenn die Windenergieanlagen außerhalb der Bereiche beantragt werden, die laut Regionalplanentwurf für die Windenergie genutzt werden sollen. Dies ist sozusagen ein Schutzmechanismus, um den sogenannten ‚Wildwuchs‘ von Anlagen einzudämmen“, erklärt Dr. Kathrin Weiß, Leiterin des Fachbereichs Umwelt, Bauen und Geoinformationen des Kreises Höxter. „Die Richterinnen und Richter haben im Hinblick auf diese Gesetzesvorschrift in einem Einzelfall im Kreis Soest vorläufig entschieden, dass die Verfahrensaussetzung offensichtlich rechtswidrig war. Zugleich hat sich das Oberverwaltungsgericht in umfassenden Ausführungen zur möglichen Nichtigkeit der Norm geäußert.“
Eine solche Rechtslage könnte gravierende Auswirkungen auf die Planungssicherheit der Kommunen haben und auch die Akzeptanz der Windenergieprojekte in der Bevölkerung weiter gefährden. „Zudem müsste der Kreis Höxter dann in vielen Fällen Windenergieanlagen genehmigen, auch wenn die betroffene Gemeinde mit dem Vorhaben nicht einverstanden ist und ihr sogenanntes ‚städtebauliches Einvernehmen‘ verweigert“, erklärt Landrat Stickeln
Anlagen müssten also an Standorten genehmigt werden, an denen sie planerisch nicht gewünscht sind. „Im Grundsatz gilt: Wer einen Antrag für ein Vorhaben wie eine Windenergieanlage stellt, dem darf die Genehmigung nicht verweigert werden, wenn die maßgeblichen Gesetze keine Regelungen vorgeben, die eine Versagung rechtfertigen. Wir sind auch hier an Recht und Gesetz gebunden“, erläutert Fachbereichsleiterin Dr. Weiß. „Hinzu kommt, dass eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Baugesetzbuches auf Bundesebene im Raum steht, deren Umsetzung die Steuerungsmöglichkeiten für den Windenergieausbau ebenfalls erheblich schwächen könnte.“
In seinem Schreiben an Ministerin Neubaur hebt Landrat Stickeln noch einmal die herausragende Rolle hervor, die der Kreis Höxter bereits jetzt für den Ausbau der Windenergie in NRW spielt. „Die aktuellen Zahlen sprechen für sich: 177 Windenergieanlagen sind kreisweit bereits in Betrieb, 126 weitere sind genehmigt und zusätzlich wurden 196 Anlagen nach § 4 BImSchG beantragt. Der überwiegende Teil von diesen Anlagen befindet sich innerhalb ausgewiesener Windenergiegebiete und wird – wenn die Voraussetzungen vorliegen - voraussichtlich ebenfalls zeitnah genehmigt“, so Landrat Stickeln.
Allein im Jahr 2024 seien im Kreis Höxter bisher Genehmigungen für 98 Windenergieanlagen erteilt worden. „Das sind in der Zeit etwa 7 Prozent der Genehmigungen in ganz Deutschland und fast genauso viel, wie in der gesamten Südregion Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammen, die über 33 Prozent der Fläche Deutschlands ausmacht. Der Kreis Höxter nimmt hingegen nur 0,3 Prozent der Fläche Deutschlands ein.“
Gerade im ländlichen Raum, der für die Energiewende eine maßgebliche Rolle spiele, sei somit ein akzeptanzgesteuerter Windenergieausbau, bei dem die Belange der Bürgerinnen und Bürger vor Ort so weit wie möglich berücksichtigt werden, von entscheidender Bedeutung. „Die Menschen in den betroffenen Dörfern und Städten müssen nicht nur miteinbezogen werden, sondern auch direkt partizipieren“, so Landrat Stickeln. „Ein ungeregelter Ausbau an ungeeigneten Standorten könnte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine verlässliche Politik der etablierten Parteien hingegen erschüttern.“
Foto: Kreis Höxter