Holzminden (red). Die gesetzliche Neuregelung zur Legalisierung von Cannabis hat die Möglichkeit einer progressiven und verantwortungsbewussten Drogenpolitik eröffnet, die auf Prävention, Entkriminalisierung und Schadensbegrenzung abzielt. Grundsätzlich unterstützt die Sucht- und Jugendberatung Holzminden die Entscheidung, Menschen, die Suchtmittel konsumieren, nicht zu kriminalisieren, sondern ihnen bei Bedarf Wege aus einer möglichen Abhängigkeit aufzuzeigen. Allerdings betont Stephanie Dirks, Leiterin der Sucht- und Jugendberatung Holzminden, dass zur Maximierung der Erfolgsaussichten gemäß den neuen strategischen Zielen der Bundesregierung bestehende Mängel im Cannabisgesetz behoben und ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden müssten.
"Bei der gesetzlichen Neuregelung fehlt die notwendige Stärkung der bestehenden Suchtpräventions- und Suchthilfestrukturen", fährt Dirks fort. "Zur Flankierung der geplanten Maßnahme sind verbindliche, dauerhafte und regionale Präventions-, Frühinterventions- und Hilfeangebote sowie systematische, qualitätsgesicherte Suchtpräventionsstrategien unerlässlich. Es werden einige richtige verhältnispräventive Aspekte für Jugendliche berücksichtigt, wie die Beschränkung der Verfügbarkeit, Werbe- und Sponsoringverbote, Verbot für Minderjährige und Konsumverbot in Gegenwart von Minderjährigen, auch Ab- und Weitergabeverbote. Die Maßnahmen zur Stärkung der Suchtprävention und Frühintervention greifen aber zu kurz und sind nicht mit ausreichenden Ressourcen hinterlegt. Aufklärungskampagnen und Onlineangebote sind nicht ausreichend, um Jugendliche, junge Erwachsene und auch Eltern und Multiplikator:innen, wie Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen, zu erreichen. Auch die Hilfeangebote für Menschen, die cannabisbezogen Probleme entwickeln, müssen ausgebaut werden."
"Die mit der Neuregelung verbundenen Risiken sind außerdem unzureichend formuliert und kommuniziert", erklärt Dirks weiter. "Das Vorgehen ist in sich nicht immer konsistent, teils sogar widersprüchlich. So wird der Konsum ab 18 Jahren erlaubt, zugleich ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Cannabiskonsum bis zum 21. Lebensjahr gesundheitsgefährdend ist. Zudem stellt der Besitz von 50 Gramm Cannabis am Wohnsitz eine hohe Menge dar und ermöglicht einen täglichen Konsum von über einem Gramm. Der Konsum soll für Erwachsene möglich sein, noch bevor mit Anbauvereinigungen legale und kontrollierte Bezugsquellen zur Verfügung stehen. Gelegenheitskonsument:innen, die nicht regelmäßig konsumieren und deshalb nicht Mitglied einer Anbauvereinigung werden wollen, bleiben auf den illegalen Markt für Cannabis angewiesen, der jedoch verdrängt werden soll. Fragen ergeben sich auch im Hinblick auf den Eigenanbau, der kaum kontrollierbar sein dürfte."
"Es bedarf entscheidender Verbesserungen und Ergänzungen im Gesetzentwurf", fasst Dirks zusammen. "Eine ganzheitliche Herangehensweise an die Thematik ist dabei unerlässlich. Diese sollte nicht nur die Entkriminalisierung einschließen – sie sollte auch eine Stärkung der Präventions- und Hilfsmaßnahmen sowie eine transparente Kommunikation von Risiken gewährleisten. Die Paritätische Suchthilfe Niedersachsen, zu der auch unsere Einrichtung gehört, verfolgt die Entwicklungen weiterhin kritisch, um einen konstruktiven Dialog zu fördern und potenzielle Verbesserungen der aktuellen Strategie aufzuzeigen." Am Standort Holzminden sollen in diesem Jahr u.a. noch eine Multiplikator:innenschulung, Schulungsmöglichkeiten für die Präventionsbeauftragten der potenziellen Anbauvereinigungen ("Cannabis Social Clubs‘‘) und die Einbringung neuer Cannabispräventionsmethoden (,,Grüner Koffer‘‘) umgesetzt werden.