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Mittwoch, 27. November 2024 Mediadaten Fankurve
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Höxter (red). Voller Vorfreude haben die Gäste nach der fünften Etappe der Zeitreise in Corveys große monastische Geschichte die Welterbestätte am Weserbogen verlassen. Denn dieser Vortragsabend mit Professor Dr. Christoph Stiegemann war Retrospektive und Vorschau zugleich.

Der Blick nach vorn richtete sich auf ein Projekt, das zusammen mit den multimedialen Erlebnisreisen in die Entstehungszeit des karolingischen Westwerks die kulturhistorische Bedeutung und die spirituelle Aura dieses großen Weltdenkmals basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fesselnd und zugleich würdig erfahrbar macht: die Neukonzipierung der Dauerausstellung „Das Jahrtausend der Mönche –   Von der Gründung Corveys bis zum Goldenen Zeitalter“ in den Räumen des Schlosses. Die alte, dort seit 1985 eingerichtete Ausstellung mit bedeutenden Leihgaben aus dem Besitz der Kirchengemeinde war in die Jahre gekommen und erlebt nun unter der Ägide von Professor Dr. Christoph Stiegemann einen fulminanten Relaunch in zeitgemäßer didaktischer Anmutung.

Der renommierte Kunsthistoriker und ehemalige Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums in Paderborn hat an seiner alten Wirkungsstätte gleich neben dem Dom seit 1999 großartige Ausstellungen mit internationaler Ausstrahlung kuratiert. In seinem (Un-)Ruhestand leitet er nun bei der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus das wissenschaftliche Kompetenzteam zur didaktischen Erschließung des Westwerks und ist auch Spiritus Rector der Neukonzipierung der Dauerausstellung. Unterstützt von der Kunsthistorikerin Dr. Anne Veltrup aus Münster lässt der Museumsmann im Kapitelsaal und im „Stillen Winkel“ im Erdgeschoss sowie in den vier Museumsräumen am Äbtegang im ersten Obergeschoss mit kostbaren Leihgaben der Kirchengemeinde und mithilfe moderner Medien das Jahrtausend der Benediktiner im Weserbogen aufleuchten. Der Rundgang ist  eine Zeitreise von den Anfängen der ersten Kirchengründung in Corvey bis zur neuen Blüte nach dem Dreißigjährigen Krieg: dem goldenen Zeitalter der Fürstäbte, das mit der Säkularisation endete.

Einblicke in den Planungs- und Schaffensprozess

Wie das Jahrtausend der Mönche aufleuchtet, erfuhren die „Zeitreise“-Besucher vor der prachtvollen Kulisse der ehemaligen Abteikirche aus erster Hand. Professor Stiegemann kündigte einen Werkstattbericht an – und vergegenwärtigte mit der Kraft seiner Worte und mit starken Bildern nicht nur den Planungs- und Schaffensprozess, sondern auch die Geschichte Corveys und die Bedeutung einzigartiger künstlerischer Glaubenszeugnisse aus 1000 Jahren Klosterzeit. Er beleuchtete die komplexen Prozesse zur Erneuerung der Dauerausstellung von der Konzeption, den ersten Ideen, der Entwicklung der Ausstellungsarchitektur, der wissenschaftlichen Bearbeitung und Präsentation der Exponate bis hin zum Medieneinsatz und bot so spannende Einblicke in die Genese der neuen Dauerausstellung.

Am Beginn der Corveyer Klostergeschichte stehen die Gäste im ehemaligen Kapitelsaal im Erdgeschoß des Ostflügels, wo auch vor dem Relaunch der Ausstellung bereits die früh-und hochmittelalterlichen Objekte, darunter Bauplastik, Abgüsse und archäologische Funde aus der Gründungszeit gezeigt wurden. „Wir haben diese jetzt kontextualisiert“, berichtete Professor Stiegemann. Beispiel: Die 1974/1975 bei Grabungen zum Vorschein gekommenen Fragmente eines Wellenrankenfrieses aus der Zeit vor 844 schmückten die Untergeschossdecke der Scheitelkapelle des Gründungsbaus der Klosterkirche.

Im Kapitelsaal hängt das kostbare Original nicht unter der Decke, sondern zeigt sich senkrecht und geschützt in einer Vitrine. Die Ausstellungsmacher haben eine Lichtdecke für den Raum entworfen, die die umlaufende Rankenmalerei in der ursprünglichen Raum-Situation zeigt und waagerecht von einer vorgelagerten Fachwerkwand abgehängt ist. Der projektbeteiligte Innenarchitekt Ludger Schwarze-Blanke hatte diese Konstruktion entworfen. Seine faszinierenden 3-D-Visualisierungen vermittelten eindrucksvolle Bilder der neuen Gestaltung, die den Gästen im Zusammenspiel mit dem Original einen Eindruck von dessen ursprünglicher Wirkung im Raum vermittelt.

Neben großen Fahnen mit Erläuterungen zur Baugeschichte der ersten Klosterkirche gibt es künftig eine Medienstation zur Scheitelkapelle, die auf einem Touchscreen den Gästen vertiefende Sachinformationen, gründlich recherchiert und zusammengestellt von Dr. Anne Veltrup, bietet – etwa zu den antiken Vorbildern der Dekorationsmotive der Malerei der Scheitelkapelle oder aus der Buchmalerei.

Vergoldete Kupferbuchstaben entdeckt

Ein weiterer Fund ist nicht minder sensationell: In den Ostteilen der untergegangenen karolingischen Basilika entdeckte der renommierte Corvey-Forscher Professor Dr. Uwe Lobbedey bei Ausgrabungen vergoldete Kupferbuchstaben einer heute verlorenen Inschrift im Chorbereich aus der ersten Bauphase der Kirche, die einzigen ihrer Art nördlich der Alpen.

Solche vergoldeten Kupferbuchstaben zierten einst auch die berühmte Inschrifttafel aus der Gründungszeit am Westwerk der Klosterkirche. Die Inschrifttafel ist ebenfalls 3 D gescannt und Millimeter genau reproduziert worden. „Diese 1:1-Kopie an der Nordwand des ehemaligen Kapitelsaals ist Gegenstand eines virtuellen Schauspiels, das den Gästen ausgehend vom Buchstabenplotting, die Inschrift auch ihrem Inhalt nach anschaulich erschließt“, berichtete Professor Stiegemann. Die Technik der in der antiken Majuskelschrift Capitalis Quadrata ausgeführten Inschrift findet sich in gleicher Weise etwa am Konstantinsbogen in Rom.

Erbe der Antike an die Weser gebracht

Die Mönche aus Corbie haben also das Erbe der Antike an die Weser gebracht. Davon künden Erläuterungen und eine Abbildung des Konstantinsbogens im Kapitelsaal.

Die erste zwischen 822 und 844 errichtete Klosterkirche wurde auf der Grundlage der archäologischen Funde vom Fraunhofer Institut Darmstadt als 3 D Architektur Visualisierung realisiert und wird künftig als Loop auf einem großen Screen in der mittleren Fensternische der Ostseite zu sehen sein. Diese Fassung entwickelte die Firma Tamschick, Media&Space Berlin.

Im „Stillen Winkel“ entfaltet sich die Gründungszeit im ersten der vier Filme, die Professor Stiegemann für diesen Raum ankündigte. In einer Preview spielte er diesen Beitrag mit seinen magischen Bildern ab. Es folgen weitere Filme über das Leben und Wirken der Benediktiner, über die Klosterschule und das Skriptorium der Weserabtei und über Corvey im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit.

Während diese Beiträge an einer interaktiven Medienwand im Stillen Winkel und auch der neugestaltete Kapitelsaal ab August öffentlich zu sehen sein werden, können die Gäste ihre Vorfreude auf die zweite große Ausstellungseinheit zum „Goldenen Zeitalter“ mit ins Jahr 2024 nehmen. Zum Saisonbeginn öffnet dieser Ausstellungsteil in vier Räumen am Äbtegang im Obergeschoss die Türen.

Professor Stiegemann kündigte an, dass kostbare Paramenten- und Goldschmiedearbeiten aus dem Besitz der Kirchengemeinde mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder aufwändig restauriert zu sehen sein werden. Der erste Raum konzentriert sich auf den Neubeginn nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges.

1667 hatte der tatkräftige Administrator Corveys, Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen aus Münster, mit dem Neubau der barocken Abteikirche nach den Plänen des Kapuzinerpaters Polycarp begonnen: „eine geräumige, einschiffige Saalkirche mit langgestrecktem Mönchschor“, erläuterte Professor Stiegemann. Die eher schlichte, in den Formen gotisch anmutende Architektur bot der reichen Barockausstattung Raum. Die Altartrias mit dem mächtigen fast 14 Meter hohen Hochaltar von 1675, wurde ebenso wie die Seitenaltäre und das Chorgestühl von dem Bildhauer Johann Sasse aus Attendorn geschaffen. Den Entwurf lieferte der Paderborner Hofmaler Johann Georg Rudolphi. Die Chorausstattung konzipierte er als theatrum sacrum, das ganz auf die Wirkung des entlang einer symmetrischen Tiefenachse entwickelten Bühnenraums setzt.

Drohnenflug bringt Pracht in Bewegung

„Nicht statisch für die Ewigkeit, sondern in Bewegung, so will die Raumkunst des Barocks erlebt sein“, führte Professor Stiegemann aus. In der Ausstellung bringt ein Drohnenflug durch die Kirche diese Pracht in Bewegung. Das Vorbild dieser Inszenierung zeigt der Wissenschaftler in der Ausstellung auch: Im Paderborner Dom schufen ab 1655 die Brüder Ludovicus und Antonius Willemssens aus Antwerpen „den mächtigen in die Tiefe gestaffelten Hochaltar im Ostchor und die vorgelagerten Seitenaltäre“. Diese Barockaufbauten sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. „Mit seiner annähernd vollständig erhaltenen Ausstattung bewahrt Corvey dagegen bis heute ein wunderbares Ensemble des flämisch geprägten Hochbarock.“ An einem Touchscreen können die Gäste ins Corveyer Land ausschweifen und barockisierte Kirchen und Kirchneubauten der großen Aufbruchszeit nach dem Dreißigjährigen Krieg kennenlernen.

Nach den furchtbaren Verlusten im Dreißigjährigen Krieg erlebte auch die Heiligen- und Reliquienverehrung einen neuen Aufschwung. Ihr ist der zweite Raum gewidmet. Professor Stiegemann erinnerte daran, dass Abt Florenz von dem Velde, damals noch Subprior, nach dem Dreißigjährigen Krieg Reliquien des heiligen Vitus zurück nach Corvey holte. Christoph Bernhard von Galen hatte den jungen Subprior 1675 zum Tochterkloster Gladbach geschickt, um das Schulterblatt des Schutzpatrons in Empfang zu nehmen und Corvey damit seine geistliche Substanz zurückzugeben.

Überwältigung durch Schau und Klang

Im nächsten Raum dann unterhalten sich drei Fürstäbte, Florenz von dem Velde, Maximilian von Horrich und Theodor von Brabeck, über ihre Lebensleistungen. Und zum Finale, so Professor Stiegemann, zeigt sich der Barock in seiner „Überwältigung durch Schau und Klang“. Kostbare restaurierte Messgewänder und Kesselpauken sind Teil der Inszenierung eines barocken Festhochamtes, das den Glauben ganz im Sinne der Zeit nicht nur intellektuell, sondern mit allen Sinnen erfahrbar macht. Festliche Barockmusik begleitete die abschließende Slideshow der so eindrucksvoll visualisierten Renderings der neuen Ausstellung zum Goldenen Zeitalter der Reichsabtei Corvey.

Nach einem Glas Jubiläumswein erläuterten Referent und Innenarchitekt den Gästen den Relaunch des Kapitelsaals vor Ort. Musikbeiträge von Hans-Hermann Jansen (Orgel), Daniel Reichert (Barocktrompete) und der Gregorianik-Schola rundeten diesen besonderen Abend ab.

Foto:

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