Höxter (TKu). Im Corveyer Jubiläumsjahr: Höxter feierte am Sonntag das Vitusfest. Während der diesjährigen Vitus-Feierlichkeiten gab es gleich zwei musikalische Premieren. Zum traditionellen Vitusfest mit Messfeier und anschließender Prozession zum Dreizehnlindenkreuz hat es bei strahlendem Sonnenschein mehr als 600 Gläubige, darunter viele Schützenbruderschaften, in den Corveyer Schlossgarten verschlagen. Als Festredner predigte Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck aus dem Erzbistum Paderborn. Bredeck sprach in seiner Rede von einem spürbaren rauen Ton in der Gesellschaft, die zunehmend von Hass und Polarisierung geprägt ist und fragt sich und das Publikum, was die Christen, die bald eine Minderheit darstellt, dagegen tun kann. Unterstützung beim Festhochamt erhielt Monsignore Michael Bredeck von Pfarrdechant Hans-Bernd Krismanek, Pastor Thomas Nal, Pastor Frank Grunze sowie den Diakonen Erwin Winkler, Klaus Herbrand, Peter Schiller und den Gemeindereferentinnen und -referenten Carsten Sperling, Marie-Luise Bittger und Marion Dinand. Gespannt lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer dem eigens für das Vitusfest komponierten Tusch zu Ehren des Schutzpatrons des Corveyer Landes. Dieser soll wie der Libori-Tusch in Paderborn künftig ein Aushängeschild für Corvey werden. Ideengeber dazu waren Diakon Erwin Winkler und die Musiker des Blasorchesters Albaxen, komponiert vom ehemaligen Musikschulleiter Martin Leins. Bereits im Vorfeld hatten die Initiatoren nicht zu viel versprochen, als sie sagten, dass der Tusch sehr festlich und majestätisch klingen wird. „Ein Klangerlebnis mit Wiedererkennungswert“, meinte eine Zuhörerin aus dem Publikum. Die zweite musikalische Premiere sorgte ebenfalls für einen Gänsehaut-Moment, als etwa 50 Sängerinnen und Sänger aus dem Raum Beverungen, Höxter und Marienmünster auf Initiative des Kirchenchores Lüchtringen das Lied „Deine Hand hält mein Heute und mein Morgen“ gesungen haben. Das Lied stammt vom Weltgebetstag der Frauen 2015 und wird nach der Melodie eines spanischen Grand-Prix-Erfolgs von 1973, „Eres tu“, gesungen.
Der Heilige Vitus: Die Kirche St. Stephanus und Vitus (Corvey) beherbergt die Reliquien des Heiligen Vitus und des Heiligen Stephan. Für das Vitusfest werden sie immer wieder aus der Kirche getragen und in der Prozession mitgeführt. Der Heilige Vitus, deutsch Veit genannt, gilt als frühchristlicher Märtyrer. Der Legende nach stammt er aus Mazara del Valla an der Südwestküste Siziliens. Weil er schon als Kind nicht von seinem christlichen Glauben lassen will, wird er von seinem Vater Hylas, einem heidnischen Senator, geschlagen und vor den Richter gebracht, der ebenfalls befiehlt, ihn zu schlagen. Aber dem Richter und seinen Knechten verdorren die Arme, worauf Vitus für sie betet und sie heilt. Der Vater lässt ihn mit musizierenden und tanzenden Mädchen einschließen, die ihn verführen sollen. Als er seinen Sohn dabei durchs Schlüsselloch beobachtet, sieht er ihn von sieben Engeln umgeben und wird blind. Er gelobt darauf hin, einen Stier mit goldenen Hörnern im Jupiter-Tempel zu opfern. Aber erst das Gebet seines Sohnes heilt ihn. Dennoch trachtet der Vater ihm nach dem Leben. Ein Engel jedoch veranlasst schließlich, dass Vitus zusammen mit seinem Erzieher Modestus und seiner Amme Crescentia auf einem Schiff nach Lukanien in Süditalien flieht, wo ihnen ein Adler Brot bringt. Nach anderen Überlieferungen ernährt sie ein Löwe.
Vitus und seine Begleitung werden entdeckt und zu Kaiser Diokletian gebracht. Zwar heilt Vitus den besessenen Sohn des Kaisers, aber er weigert sich auch jetzt, den heidnischen Göttern zu opfern und wird mit seinen Begleitern ins Gefängnis geworfen. Die schweren Eisenplatten, die sie erdrücken sollen, fallen von ihnen ab und Engel erleuchten die Finsternis des Kerkers. Vitus überlebt viele Martyrien durch Wunder: Er übersteht unversehrt ein Bad in siedendem Öl, nach anderen Überlieferungen auch in Blei, Pech oder Harz. Und er zähmt durch das Kreuzzeichen die Löwen, denen er zum Fraß vorgeworfen wird. Auf die Folterbank gespannt, um mit Haken zerfleischt zu werden, zerschlagen Blitze die Martergeräte und ein Erdbeben lässt die Tempel rundherum einstürzen, sodass die Folterknechte und das entsetzt fliehende Volk von den Trümmern erschlagen werden. Engel lösen schließlich Vitus, Modestus und Crescentia von ihren Fesseln und betten sie an einem Flussufer, wo sie ruhen und sanft im Gebet ihre Seelen aufgeben. Adler bewachen ihre Leiber, bis die fromme Witwe Florentia sie findet und bestattet. Diese Ereignisse datiert man um das Jahr 304.
Die Verehrung des Hl. Vitus ist schon um das Jahr 600 belegt. Seine Reliquien werden 583 von Sizilien nach Lukanien in Unteritalien gebracht. Von dort kommen sie 756 nach St. Denis bei Paris, in die spätere Grabeskirche der französischen Könige. 836 werden die Gebeine von St. Vitus aus St. Denis in das neu gegründete Kloster nach Corvey übertragen. Und dieser Weg führt über Meppen, sodass die Propsteikirche, die eigentlich der Hl. Margaretha geweiht ist, nun dem Patronat des Hl. Vitus gewidmet wird. Die Hl. Margaretha wird zur Kronpatronin, das ist sie heute noch.
Zentren der Vitus-Verehrung sind u. a. Corvey und Prag, wo sich das Haupt des Märtyrers befindet. An rund 150 Orten werden heute Vitus-Reliquien verehrt, es gibt über 1300 Orte, an denen Vitus Haupt- oder Nebenpatron von Kirchen oder Kapellen ist. Vitus ist auch der Patron unseres Bundeslandes Niedersachsen. Seit dem Spätmittelalter, also etwa ab dem 14. Jahrhundert, zählt Vitus zu den 14 Nothelfern, also zu jenen Heiligen, die Gott vor ihrem Märtyrertod gebeten haben sollen, demjenigen Hilfe zu gewähren, der ihn in ihrem Namen darum bittet. Vitus gilt u. a. als Schutzpatron gegen Chorea, also gegen den Veitstanz, einer Erkrankung des zentralen Nervensystems mit schnellen, unwillkürlichen Muskelkontraktionen. Auch für Augen- und Ohrenkrankheiten und bettnässende Kinder ist Vitus zuständig, ebenso bei Unfruchtbarkeit. Außerdem ist Vitus der Schutzpatron der Jugendlichen, der Gastwirte und Apotheker, der Winzer und Bierbrauer, der Bergleute und Kupferschmiede sowie der Schauspieler und der Soldaten, der Stummen und Tauben.
Der 15. Juni ist der Gedenktag des Hl. Vitus. Vielleicht weil dieser Gedenktag um die Sonnenwende liegt, knüpft sich viel Volksfrömmigkeit an unseren Heiligen: Er hilft bei Unwetter, Blitz und Feuersgefahr und sorgt für die Haustiere, für eine gute Saat und eine gute Ernte. Dies drückt sich auch in zahlreichen Bauernregeln aus: „Nach St. Veit wendet sich die Zeit.“ – „Regnet’s an St. Veit, Gerste nicht leid’s.“ – „Hat der Wein abgeblüht auf St. Vit, bringt er ein schönes Weinjahr mit.“ Und der Hl. Vitus ist zuständig für pünktliches Wach-Werden ohne Uhr: „Heiliger St. Veit / wecke mich zur rechten Zeit; / nicht zu früh und nicht zu spät, / bis die Glocke ... schlägt.“
Fotos: Thomas Kube