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Montag, 23. Dezember 2024 Mediadaten Fankurve
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Stadtoldendorf (rus). Es gleicht schon fast einer logistischen Meisterleistung, um den ziemlich genau 160 Jahre alten, historischen Bechstein-Flügel aus dem Stadtoldendorfer Leitzenhaus im neu gestalteten Leitzenzimmer zu platzieren. Denn: Für eine dringend notwendige Restauration musste der Flügel erst einmal sicher aus dem obersten Stockwerk des Gebäudes abtransportiert werden, damit er in Göttingen aufwändig restauriert werden konnte. Da das Leitzenhaus ohnehin umfangreich saniert wurde, nutze man diese Zeit, um den Flügel wieder spielfähig zu machen.

Der Abtransport gestaltete sich dabei durchaus schweißtreibend. Im Treppenhaus des Gebäudes mussten die Geländer dazu abgebaut werden, damit der Flügel mit reiner Manpower nach unten befördert werden konnte. Durch Beschädigungen im Rahmen der Sanierung des Leitzenhauses waren ohnehin die Standbeine des Flügels abmontiert, sodass er überhaupt erst durch das Treppenhaus passte. Nach der Restauration in Göttingen wurde der Flügel schließlich mit einem Schwerlastkran und einem Spezialunter-nehmen durch ein ausgebautes Fenster im obersten Stock des Leitzenhauses wieder hineinbugsiert. Millimeterarbeit war dabei gefragt, für die Spezialisten aber kein Problem. Immerhin bringt das Instrument 450 Kilogramm auf die Waage.

Möglich gemacht haben dieses Vorhaben aber überhaupt erst der Bürgerverein Stadtoldendorf mit seinem Vorsitzenden Helmut Walter, gleichzeitig auch Stadtheimatpfleger, der eine finanzielle Unterstützung des Aufwandes übernahm. Außerdem ist es ihm gelungen, noch weitere Spender für die Aktion zu gewinnen, die sich großzügig einbrachten und die Restauration damit finanziell ermöglichten. Letztere wurde durch Jens Köhler vom Meisterbetrieb Köhler-Klavierbau aus Göttingen durchgeführt, der die liebevolle und aufwändige Restauration des Flügels übernahm und dabei rund 300 Stunden Arbeit in das Instrument investierte.



Laut dem Archiv der Firma C. Bechstein Pianoforte AG aus Berlin, die es heute noch gibt, verließ der Flügel mit der Seriennummer 652 einst am 16. Oktober 1862 das damalige Bechstein-Werk in Berlin und wurde an die Firma Stobwahser in Berlin gebracht. Stobwahser war eine Manufaktur für Lackwaren in Berlin, wo der Flügel vermutlich noch den letzten Schliff mit einem Speziallack bekam, ehe er schließlich seinem Besitzer zugestellt wurde. Am 23. Oktober 1862 erfolgte dann die Lieferung des Flügels an ein Fräulein von Wehl. Später gelangte er in den Besitz der Familie Leitzen, die ihn als Teil der Charlotte-Leitzen-Stiftung ins Leitzenhaus einbrachte, wo er schließlich auch in den Besitz der Stadt Stadtoldendorf überging.
Diese verpflichtete sich, Haus und Inventar zu erhalten.

Der Flügel ist noch im Originalzustand und nun umfangreich restauriert. Nach einer Stand- und Ruhezeit von gut zwei Monaten wird er im Sommer noch einmal gestimmt, dann können die ersten Musikstücke darauf gespielt werden. Die Einweihung soll im Rahmen eines kleinen Konzertes voraussichtlich noch 2022 erfolgen. Einen Termin dazu gibt es allerdings noch nicht. Das 160 Jahre alte Instrument stammt aus einer Zeit, als sich Bechstein noch als „Hoflieferant seiner Majestät des Königs von Preußen“ bezeichnete. Es hat noch die Original-Standbeine, die allerdings abgetrennt waren und zunächst erst wieder nach historischem Vorbild und mit viel Handarbeit neu angebaut wurden. „Dazu mussten wir erst einmal die Aufnahme komplett neu konstruieren, da es solche Teile nicht passend gibt“, erklärt Klavierbaumeister Jens Köhler.

Nach den Restaurationsarbeiten schwärmt er insbesondere vom Spielwerk und Aufbau des Instruments: „In meinem Klavierbauerdasein werde ich wohl so etwas nicht wieder erleben und habe es auch in 38 Jahren noch nicht“, erklärt er die Besonderheit des Flügels. In das besondere Spielwerk, dass aus einer Zeit von Romantik und Barock stammt, musste er sich erst einmal hineindenken. „Es ist sehr außergewöhnlich, jeder Pianist wird merken, dass hier etwas anders ist“, so Köhler. Nachforschungen bei der Firma Bechstein ergaben, dass es auch nur eine kurze Epoche gegeben hatte, wo die Flügel so gebaut wurden, wie der aus dem Leitzenhaus. Wer den Flügel spielen möchte, muss musikalisch auch in die Zeit reisen, wo seine Geschichte spielt. „Barock und Romantik verträgt das Spielwerk sehr gut, moderne Titel passen weniger gut zu ihm“, sagt Köhler.



Die umfangreiche und besonders kleinteilige Konstruktion des Instruments machte die Restauration dann aufwändig, denn die Eisenplatte sowie alle Streben ließen sich einzeln entnehmen und ablösen, „das ist sehr selten, dass man so etwas sieht“, erklärt Jens Köhler.  Die Bass-Saiten mussten neu angefertigt werden, „auch so etwas gibt es einfach nicht mehr“, erklärt Köhler. Dazu wurden auch die Stahlsaiten komplett überarbeitet und vollständig neu eingerechnet, um den Ton wieder passig zu machen. Der Resonanzboden war durch die Jahre mit mehr als 50 Rissen stark beschädigt, doch auch er konnte repariert werden, bekam dazu auch einen neuen Anstrich mit Mehrfachlackierungen auf Wasserbasis, sodass er gegen Feuchtigkeit künftig besser geschützt ist. Neben diesen Arbeiten wurde auch das historische und originale Bechstein-Schild erhalten, was ebenfalls eine Besonderheit ist. „Das Schild wurde in den Lack eingearbeitet, so etwas gibt es längst nicht mehr“.

Während die meisten vergleichbaren Flügel wohl im Laufe der Zeit schon verschrottet wurden, konnte dieses Exemplar nun mit viel Mühe, Zeit und Liebe erhalten werden. Dazu beigetragen haben viele Akteure, insbesondere der Bürgerverein Stadtoldendorf, auf dessen Initiative hin der Flügel in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt instandgesetzt wurde, über das Museums-Team bis hin zum städtischen Bauhof, der Firma Köhler Klavierbau, den Transportunter-nehmen und nicht zuletzt auch einigen Spendern, die sich finanziell einbrachten.

Fotos: rus, Köhler Klavierbau

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