Landkreis Holzminden (red). Wenn das Frühjahr naht und die ersten Sonnentage zu Ausflügen einladen, beginnt auch wieder die Motorradsaison. Was für die einen Freizeitspaß und Freiheitsentfaltung bedeutet, wird von anderen jedoch als nervenzerreißende Lärmbelästigung empfunden. Im Weserbergland hat sich im vorletzten Jahr ein Verein gegründet, der mit den Behörden, aber auch mit Fahrervereinigungen über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation diskutiert. Bisher wurden bereits Transparente mit Appellen an die Fahrer*innen und verstärkte Kontrollen durch die Polizei vorgenommen. Geht aber noch mehr? In neuer Runde wurde zum Saisonanfang über bisherige Ergebnisse und künftige Entwicklungen debattiert. 

Während im letzten und vorletzten Jahr den Gesprächskreis noch der Landkreis organisiert hatte, hat diesmal der Verein Motorradlärm Weserbergland zu einer Videokonferenz eingeladen. Markus Renner und Heinrich Wenisch als Vorsitzende des Vereins hatten sich um einen möglichst breiten Kreis aus Behörden und Interessenvertretern bemüht und große Resonanz bekommen. Allein von der Polizei nahmen vier Vertreter*innen teil, darunter auch der Leiter des Polizeikommissariats Holzminden, Oliver Busche. Für die Niedersächsische Landesstraßenbaubehörde hatte sich einmal mehr der Hamelner Behördenleiter Markus Brockmann für den Termin Zeit genommen, während für den Landkreis die Persönliche Referentin des Landrates, Andrea Wessel, und Pressesprecher Peter Drews an der Videokonferenz teilnahmen. Mit Lars Böhler von der Initiative Schräglagenfreiheit Berlin und Tedy Bach von der Biker-Union waren zwei Vertreter der Motorradfahrer*innen mit dabei sowie Manuel Liebig, der als Geschäftsführer der Solling-Vogler-Region die Tourismusbranche vertrat. Letzterer machte deutlich, dass die Solling-Vogler-Region aufgrund ihrer Zertifizierung als Qualitätsregion Wanderbares Deutschland das Thema sehr sensible behandele. 

Von der Polizei konnte berichtet werden, dass im letzten Jahr sowohl durch die auf Lärmmessungen spezialisierte Arbeitsgruppe Krad der Polizeidirektion Göttingen als auch mithilfe von allgemeine Motorradkontrollen verstärkt nach unzulässigen Lärmverursacher*innen gesucht wurde. Die Landesbehörde wiederum hatte am Ortsausgang Lauenfördes eine sogenannte Topobox installiert, um über die gesamte Saison einen Überblick über die Anzahl vorbeifahrender Motorradfahrer*innen zu bekommen. Bei durchschnittlich rund 3.570 Fahrzeugen insgesamt täglich belief sich der Anteil von motorisierten Zweirädern auf knapp 200, also unter zehn Prozent. Auch der Landkreis hatte Messungen an zwei Stellen in der Rühler Schweiz sowie in Kooperation mit dem Bauhof der Stadt Stadtoldendorf auf der B240 am Ith vorgenommen, allerdings mit ungenaueren Messgeräten. Fahrzeugmengen und der Anteil von Motorrädern deckten sich jedoch ungefähr mit denen der Topobox der Landesstraßenbaubehörde. Auch wenn die Spitzenauslastung in Lauenförde an einem Tag im letzten Jahr bei 689 gelegen hat, blieb die Menge der vorbeifahrenden Motorräder damit insgesamt eher überschaubar. Allerdings, da waren sich die Diskutanten weitgehend einig, ist das Jahr 2021 wegen der massiven Coronaeinschränkungen mit geschlossenen Restaurationen und einer überwiegend nasskalten Witterung nicht unbedingt aussagekräftig. 

Ein genaueres Bild könnten die vier vom Landkreis mit Förderung durch die niedersächsische NBank beschafften Lärm-Displays verschaffen. Der Landkreis hofft die Displays nach Genehmigung durch die Landesstraßenbaubehörde in Kürze aufstellen zu können. Konkret werden die Displays in Neuhaus am Ortsausgang auf der B 497 Richtung Schönhagen, an der B 241 bei Lauenförde ebenfalls in Richtung Schönhagen, in der Rühler Schweiz an den Ortsausgängen von Golmbach und Rühle sowie am Ortsausgang Grünenplan in Richtung Holzen aufgestellt. Tedy Bach von der Biker-Union machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Geräte so eingestellt werden müssten, dass sie tatsächlich auch nur Motorräder und nicht etwa auch E-Bikes mitzählten. Auf die richtige Kalibrierung versprach der Landkreis ebenso zu achten wie darauf, dass an der im Moment noch nicht für Messungen vorgesehenen Strecke auf der Ottensteiner Hochebene in Richtung Deitlevsen im Frühjahr zumindest über die schon in der Rühler Schweiz eingesetzten, etwas ungenaueren Messgeräte gezählt wird, wie viele motorisierten Zweiräder dort durchschnittlich unterwegs sind. 

Lars Böhler und Tedy Bach machten deutlich, dass sie in der Motorrad-Community über eine sehr große Reichweite verfügen und durch wiederholte Ansprache an machbaren Lösungen mitarbeiten wollen. Das jedoch reicht den Vertretern der Bürgerinitiative Motorradlärm nicht. Es brauche mehr als Ansprache oder Aktionstage, betonten Markus Renner und Heinrich Wenisch. Beide favorisierten die Durchsetzung eines Holzmindener Modells, das nach dem Vorbild des Tiroler Modells Motorrädern mit einem Standgeräusch von mehr als 95 Dezibel die Durchfahrt auf bestimmten Straßen untersagen solle. Auch wenn in einer ersten rechtlichen Einschätzung durch den Landkreis ein solches Modell juristisch angreifbar erscheint, solle über die Machbarkeit in Form eines Pilotmodells in einem Arbeitskreis weiter nachgedacht werden, so die beiden Vereinsvorsitzenden. Andrea Wessel jedoch verwies darauf, dass die Displays erst einmal verlässliche Daten liefern sollten. Für eine Einschätzung, ob ein solcher Arbeitskreis gebildet werden solle, müsse der Verein darüber hinaus auch erst einmal die von ihm häufiger zitierten Gutachten für eine detailliertere Prüfung zur Verfügung stellen.