Holzen (red). Seit fast zwei Jahren ist die zentrale Gedenkstätte des Landkreises Holzminden zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus nicht mehr begehbar. Auf dem Gelände in der Nähe Holzens haben die Wildschweine gewütet, an Treppen und Mauern hat der Zahn der Zeit so sehr genagt, dass eine verkehrssichere Begehung nicht mehr möglich ist. Es muss also etwas passieren, zumal der Friedhof als Mahnmal in ganz Südniedersachsen sicher eine herausragende Bedeutung hat. Doch welche Maßnahmen bieten auch langfristig eine Lösung dafür, der trauernden Erinnerung an systematische Gewalt und furchtbarste Verbrechen in bis dahin nie gekanntem Ausmaß einen würdigen und respektvollen Rahmen zu geben? Bei einem Treffen im Holzener Dorfgemeinschaftshaus wurden verschiedene Möglichkeiten der Neugestaltung diskutiert. Es ist endlich Bewegung in der Sache, weil das Thema für den Landrat und den eigentlich zuständigen Samtgemeindebürgermeister eine Herzensangelegenheit ist.

Der Holzener Ehrenfriedhof und auch das nur wenige Kilometer entfernte ehemalige Lenner Lager sind als Erinnerungsstätten an das nationalsozialistische Unrecht nicht nur für den Landkreis Holzminden wichtig. Allein schon aufgrund der Größenordnung, in der hier Menschen interniert waren und unter schlimmsten Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden, gehören beide Stätten ohne Zweifel zur überregional bedeutsamen Erinnerungskultur. Mehr als 10.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge waren hier in etlichen Lagern untergebracht, um eine geplante Untertageverlagerung der Deutschen Rüstungsindustrie mit zu bewerkstelligen. Etliche der Inhaftierten gingen aufgrund der menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse zugrunde, andere starben während sogenannter Todesmärsche noch in den allerletzten Kriegstagen. Nach dem Krieg errichteten ehemalige italienische Internierte den Friedhof nur ein paar hundert Meter vom Stollen Gustav entfernt, im Jahr 1988 dann wurde der Friedhof durch die Kriegsgräberfürsorge unter Mithilfe von Schülern der Haupt- und Realschule Eschershausen in seine jetzige bauliche Struktur gebracht. 

Doch die bröckelte schon seit Längerem, weil fünf auf dem hanglagigen Gelände gepflanzte Eichen ihre Wurzeln ausbreiteten, die für eine Terrassierung angelegten Sandsteinmauern nach 30 Jahren den Boden nicht mehr halten konnten und wildwuchernde Hecken mittlerweile keinerlei Schutz mehr bieten. Landrat Michael Schünemann, der den Friedhof wegen der Bauschäden im letzten Herbst noch einmal inspiziert hatte, nahm Kontakt mit Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Anders auf, um Lösungen zu finden. Der Erhalt ist Sache der Samtgemeinde, doch als zentrale Erinnerungsstätte bleibt der Friedhof eben zumindest ideell auch ein Thema des Landkreises. Und nicht zuletzt hat sich auch die Gemeinde Holzen selbst in der Vergangenheit durch die jahrzehntelange Pflege des Geländes verdient gemacht. 

Landrat, Samtgemeindebürgermeister und Bürgermeisterin Silke Hage zusammen hoffen überdies nicht zu Unrecht, dass vom Land Niedersachsen und von diversen Stiftungen maßgebliche finanzielle Unterstützungen für eine Sanierung kommen könnten. Doch dafür muss erst einmal ein tragfähiges Konzept her, mit dessen Rohentwurf die Holzmindener Landschaftsarchitektin Birgit Czypull beauftragt wurde. Bei einem gemeinsamen Treffen im Dorfgemeinschaftshaus Holzen, an dem auch Marlies und Dr. Hilko Linnemann vom Heimat- und Geschichtsverein für Landkreis und Stadt Holzminden e.V. (HGV) sowie Lehrerin Jutta Henze als langjährig engagierte historische Führerin mit dabei waren, stellte Czypull drei mögliche Varianten einer Neugestaltung vor. 

Während die eine Verlagerung des Gedenkgeschehens direkt vor den Aufgang zum Friedhof selbst vorsehen würde, könnte in der zweiten ein Weg aus Südwesten einen barrierefreien Zugang in den oberen Bereich des Friedhofs ermöglichen. Damit würde dann auch älteren Gedenktagsteilnehmenden der Weg direkt ins Herz der Erinnerungsstätte ermöglicht. Genau wie beim dritten Entwurf, der ganz grundsätzlich nur eine komplette Sanierung des gesamten Friedhofsareals in Betracht zieht, müsste dann aber auch eine Umzäunung geschaffen werden, die vor Wildschäden schützt. In der Diskussion favorisierte die übergroße Mehrheit der Anwesenden das zweite Modell. Dabei soll auch eine weitere der früher fünf Eichen weichen, die Terrassierungen und die Treppen erneuert werden und vielleicht auch eine rutschfestere Bodenbeschaffenheit mit einem Kiesgrund geschaffen werden. 

Wie das alles konkret aussehen könnte und über welche Kosten dann zu reden ist, soll mit einem detaillierteren Entwurf beim nächsten Treffen geklärt werden. Auch stellt sich die Frage, wie die alltägliche Pflege des Ortes gewährleistet werden kann, denn die bisher allein dafür verantwortliche Gemeinde ist damit personell überfordert. „wir sind, was die Pflege betrifft, alle gefordert“, stellte Landrat Michael Schünemann deshalb klar. Wie auch immer die endgültige Konzeption aussehen könnte, alle Beteiligten drücken mittlerweile aufs Tempo, damit der Opfergedenktag im nächsten Januar möglichst wieder dort begangen werden kann. Doch ob das mit den entsprechenden Planungen und Förderanträgen tatsächlich bis dann realisierbar ist, bleibt abzuwarten. „Wir haben uns die Sache nicht leichtgemacht, weil wir uns der Sensibilität des Ortes sehr bewusst sind“, hatte der Landrat gleich eingangs der Veranstaltung erklärt. Insofern soll zwar schnell, aber keinesfalls überhastet gehandelt werden. 

Marlies Linnemann, Vorsitzende des HGV, jedenfalls dankte speziell Michael Schünemann und Wolfgang Anders zunächst einmal für ihr großes Engagement. Es sei das erste Mal, dass sich von Verwaltungsseite her in der Weise so intensiv um den Friedhof gekümmert werde.

Fotos: Landkreis Holzminden