Hehlen (red). Mindestens 1200 Jahre alt ist Hehlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, das belegen verlässliche historische Quellen. Wie alt genau der Weserort jedoch wirklich ist, und welche Bedeutung der geostrategisch günstig an einer Flussschleife gelegene Ort überhaupt gehabt haben könnte, lag bisher im Dunkeln. Ein fast 30 Jahre altes Luftbild eines Ackers ließ darauf schließen, dass sich hier eine größere, wichtige und womöglich sogar noch ältere Siedlung befunden haben könnte. Auf Veranlassung des beim Landkreis zuständigen Bereiches für Bildung und Kultur sowie unter Mithilfe des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Göttinger Georg-August-Universität wurden jetzt Grabungen durchgeführt. Für die Archäologen im Ergebnis ein sehr spannender und ergiebiger Fundort, der allerdings noch detaillierter ausgewertet werden muss.
Das Luftbild aus den frühen 90er Jahren zeigte deutliche Siedlungsspuren auf einem Acker, der der Familie Wiemann gehört. Nach Gesprächen mit Landkreis-Bereichsleiter Boris Scheiber und Grabungstechnikerin Jana Hamid als Vertreterin der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises erklärte sie sich bereit, Fachleute nach abgeschlossener Maisernte auf entsprechende archäologische Spurensuche gehen zu lassen. Mit Dr. Immo Heske, der die archäologische Lehrsammlung der Göttinger Universität betreut und sich um die Ausbildung von Studierenden im Gelände kümmert, konnte zudem ein begeisterungsfähiger wissenschaftlicher Partner gefunden werden.
Zwei Flächen mit einer Ausdehnung von jeweils zehn mal zehn Metern öffnete das Grabungsteam. Das Luftbild hatte verschiedenen Haustypen vermuten lassen. Große Pfostenbauten mit in den Boden eingetieften Pfostengruben, aber auch für die Jahrhunderte nach Christi bekannten sogenannten Grubenhäusern. Wobei es eigentlich Kellerhäuser heißen müsste, denn wie bei modernen Kellern ist nur ein Stück des Hauses in den Boden eingelassen. In diese sind aufstrebende Wände verbaut, so hoch, dass man in den Räumen bequem stehen kann. Das jedenfalls zeigen Rekonstruktionen aus einer vergleichbaren Siedlung bei Süpplingenburg im Landkreis Helmstedt. Oberhalb der Keller befindet sich dort der Wohnraum, während das Untergeschoss als Arbeitsraum diente.
Auch in Heli, wie Hehlen in mittelalterlichen Urkunden genannt wurde, ließ sich das in den Funden gut belegen. Gefundene Webgewichte zeugen von der Wollverarbeitung, Schlacke und Tigelreste von Metallverarbeitung, Geweihreste von der Herstellung von Kämmen und weiteren Knochen- und Geweihgegenständen.
Insgesamt drei Grubenhäuser wurden unter den Augen der Eigentümer, die fast jeden Tag vorbeikamen und die aktuellen Funde bestaunen konnten, untersucht. Ein vollständig freigelegtes Grubenhaus hat dabei eine Größe von knapp vier mal vier Metern, mit einem seitlichen Eingang. Knochen von Schweinen, Rindern, Schafen oder Ziegen lassen Schlüsse auf die Ernährung der Bewohner zu. Ein von den Archäologen freigelegter Pferdeschädel dürfte dagegen eher mit der Anwesenheit von Herrschaft in Verbindung stehen. Überhaupt lohnt der Blick auf die Knochen. Denn der deutlich verformte Unterkiefer einer Ziege beispielweise hat eindeutige Hinweise auf die Nutzung einer Trense gezeigt. Ziegen vor kleine Karren zu spannen, ist noch aus dem frühen 20. Jahrhundert bekannt, über die Jahrhunderte war das Haustier immer beides: Nutz- und Speisetier.
Und wie alt ist das alles? Die Experten sind versucht, den schriftlichen Quellen recht zu geben. Das Fundmaterial aus den Grubenhäusern lässt sich zeitlich sowohl in das 4.-6. als auch in das 7.-9. Jahrhundert n. Chr. einordnen. Genaueres wird die genaue Durchsicht und Bearbeitung ergeben, denn bisher ist nur ein geringer Teil des Fundgutes vor Ort gereinigt und detaillierter untersucht worden. Mit dieser ersten kleinen Grabung lassen sich die Ursprünge Helis gut fassen. Damit hätte wohl keiner gerechnet: Nicht die Familie Wiemann, die ihren Acker so großzügig für diese erste Grabung zur Verfügung gestellt hat, auch nicht die Freiwillige Feuerwehr des Ortes, die spontan abends die Grabungsfläche auf der Kuppe gewässert hat, damit die großen Pfosten sich besonders gut abzeichnen konnten. Drei waren in der ausgewählten Grabungsfläche gut zu erkennen, aber von einem sich abzeichnenden Großbau liegen noch mehr als zwei Dutzend im Acker.
Das Rätsel ist also noch nicht gelöst, wie so vieles zu den Ursprüngen des unmittelbar an der Weser gelegenen Ortes Heli und seiner Bedeutung im ersten Jahrtausend n. Chr. War es ein Handwerksquartier, ein regionaler Marktplatz oder gar ein überregionaler Umschlagplatz für Waren aus verschiedenen Regionen? Aber ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht.
Foto: Landkreis Holzminden, Drews