Stadtoldendorf (red). Kann das funktionieren? Eine Lesung, ein Thema und sieben Autoren? Es kann, wenn das Thema „Aufgeschlagen“ heißt und von der Autorengruppe Collage aus Dassel beackert wird. Doch ehe die Dichter loslegen konnten, musste sich Dr. Hagenstein, Vorsitzender des Musik- und Kulturvereins Stadtoldendorf, erst einmal entschuldigen: im Alten Rathaus war die Heizung ausgefallen. Die Kirchengemeinde spielte Schutzengel und stellte das Pfarrhaus für die Lesung zur Verfügung.
Die Besucher nahmen den Umzug gelassen hin, der Pfarrsaal war gut gefüllt. Nach der Begrüßung zündete dann die so brav und bieder wirkende Truppe ein Feuerwerk von Gedanken und Pointen – von poetisch bis philosophisch, von spannend bis witzig war alles dabei. Wortgewandt und humorvoll ließ Ulla Becker ein Eiscafé renovieren und bescherte einem gelangweilten Landpolizisten einen spektakulären Fall: ein Fallschirmspringer war aufgeschlagen!
Und immer stand am Ende eine überraschende Wende. Poetisch und kenntnisreich erzählt ein Opa in Rolf-Dieter Spanns Geschichte seinem Enkel, wie man früher Bücher machte, und mit dem Jungen erfuhr auch das Publikum, warum ein Buch „aufgeschlagen“ wird: das widerspenstige Papier wurde einst mit Metallspangen zusammengepresst. Zum Öffnen schlug man mit der Hand drauf, so dass die Spangen sich lösten.
Liselotte Rüngers Geschichte „Kirschblüte“, in der es um ein Wiedersehen in Erfurt nach 60 Jahren ging, wurde von Gertrud Keitel vorgetragen. Aus Gertud Keitels Feder stammten die Geschichten „Hagelschlag“ und „Auszeit“, die den Zuhören besonders nahe ging: der kleine Sören bekam eine behinderte Schwester. Dieser Umstand beschäftigte ihn sein ganzes Leben. Vor dem Studium geht er für ein Jahr nach Südafrika, um dort behinderten Kindern zu helfen. Auch Bärbel Spanns „Brief an eine Freundin“ spielt in Afrika: ein alternder Maler schreibt seiner deutsche Freundin gemütsbewegende Zeilen.
Wolfgang Nieschalk musste wegen Krankheit absagen, seine spannende Geschichte „Gerade nochmal davongekommen“ las Dr. Ludger Kappen bewegend und gut akzentuiert: eine kleine Reisegruppe geriet auf ihrem Flussschiff in große Gefahr! Den Schluss- und Höhepunkt setzte dann Dr. Kappen mit seiner furiosen Wort-Jonglage „Nachschlagen und zuschlagen“. „Wer sich mit der Sprache rumschlägt, wird sich bald geschlagen geben“ hieß es darin, doch nicht so Ludger Kappen: Schlag auf Schlag hagelte es Pointen, und man staunte, was der Autor aus einem einzigen Wort alles zu zaubern verstand. Im Schlussapplaus für die Autorengruppe wurde das Publikum – um auch das letzte Wortspiel auszureizen – zur „schlagenden Verbindung“. Der MKV-Vorsitzende Jörg Hagenstein regte an, in Kontakt zu bleiben und den kulturellen Dialog mit dem Nachbarkreis aufrecht zu erhalten.
Foto: Ernst Schaffer