Stadtoldendorf (red). Als musikalischen Höhepunkt 2019 hatte der Musik- und Kulturverein Stadtoldendorf das Kammermusik-Duo Henrike Brüggen, Piano, und Marie Radauer-Plank, Violine, aus Berlin eingeladen. Die beiden international renommierten und preisgekrönten Musikerinnen traten weltweit mit namhaften Orchestern als Solistinnen auf, spielten – und spielen in verschiedenen Formationen. Als Duo Brüggen-Plank (brueggen-plank.de) arbeiten sie seit 12 Jahren zusammen. Das Konzert im Alten Rathaus begannen sie heiter mit Mozarts Sonate KV 301 und Beethovens berühmter Frühlingssonate (op. 24). Die Moderation überließ eine leicht erkältete Henrike Brüggen weitgehend ihrer Kollegin Radauer-Plank, die das Publikum kenntnisreich und unterhaltsam durch das Programm führte.
Das war besonders hilfreich beim Hauptbestandteil des Abends: Das Duo stellte seine neue CD vor, die sie dem rumänischen Komponisten George Enescu widmeten, dessen Leben sie kurz skizzierten:
Aus Angst vor Ansteckung durch Diphterie, die damals vielen Kindern das Leben kostete, zogen Enescus Eltern den kleinen George völlig isoliert auf. Er wurde ohne Kontakt zu Gleichaltrigen sensibel, überreizt und frühreif. Mit vier Jahren spielte er Violine und mit sechs komponierte er seine erste Oper. Sie hatte nur sechs Takte, doch der Junge bestand auf die Bezeichnung Oper. Enescu entwickelte zudem ein phänomenales Gedächtnis und galt schon früh als Wunderkind auf der Violine. Seine ungewöhnliche Kindheit verarbeitete er in den seinen Impressions d’enfance, den Kindheits-Impressionen, welche das Weltklasse-Duo virtuos und feinfühlig wiedergab. Vor allem die bildhaften Elemente der Komposition gelangen ihnen so lebendig, dass die Zuhörer den Dorffiedler vor genauso Augen hatten, wie die Grille, den Vogel im Käfig und die Kuckucksuhr an der Wand. Zum „Bächlein im Garten“ bildeten die „Wasserbilder“ der laufenden Ausstellung im Rathaus die perfekte Kulisse.
Enescu ist musikalisch ganz tief im frühen 20. Jahrhundert verankert, deren gewaltige (und gewalttätige) Umbrüche man seiner Musik deutlich anmerkt. Die herkömmlichen Strukturen wurden auch in Malerei, Literatur und Musik aufgebrochen und nach neuen Möglichkeiten ausgelotet. Das hörte sich auch in Enescus Werken stellenweise etwas sperrig an, doch dank der professionellen Erläuterungen der beiden exzellenten Musikerinnen konnte auch der Laie der Musik gut folgen. Ebenso gefühlvoll und meisterhaft trugen sie noch den 3. Satz von Enescus Sonate Nr. 3 vor und kehrten mit ihrer Zugabe, dem Liebeslied von Fritz Kreisler, wieder zu harmonischeren Klängen zurück.
Die Enescu-CD von Henrike Brüggen und Marie Radauer-Plank ist von der Kritik sehr gelobt worden. Diesem Lob konnte sich das Publikum im Alten Rathaus Stadtoldendorf nur begeistert anschließen. Die Noten stammten von Mozart, Beethoven und Enescu – die Musik stammte von Brüggen-Plank!
Foto:Brüggen-Plank