Landkreis Holzminden (red). Ein Kinderbuch über Schafe, dazu auch noch von regionalen Autoren und von einem Holzmindener Verlag herausgegeben? Das darf natürlich auf dem Schäfer- und Hutefest nicht fehlen. Bei dem auf der Leipziger Buchmesse im Frühjahr vom Verlag Mitzkat erstmals präsentierten Kindbuch „so anders“ von Gerd Wolf und Martina Spangenberg geht es um Ausgrenzung und Integration in einer Schafherde. Autor und Illustratorin werden bei dem Fest in Amelungsborn am 8. September nicht nur ihr Buch vorzustellen, sondern auch daraus vorlesen. Im Interview erklären sie, wieso die Tiere in vielerlei Hinsicht den Menschen ähneln.
Frage: Wie kommt man dazu, ein Kinderbuch über Schafe zu machen?
Gerd Wolf: Ich habe in der Jugendhilfe gearbeitet. Und auch auf einem Bauernhof mit Schafen. Als ich dann in Rente ging, wurde mir schnell langweilig. Also beschloss ich, ein Kinderbuch zu schreiben. Als Idee hatte ich im Kopf, dass ein kleiner syrischer Junge nicht von einer Gruppe anderer Kindern aufgenommen wird. Gleichzeitig habe ich mich daran erinnert, dass das bei einem mitgebrachten Lamm ähnlich war. Das ist ja wie bei den Menschen, fiel mir auf. Das war dann der Impuls für die Geschichte.
Frage: Nun sind das ja ganz besondere Schafe…
Martina Spangenberg: Das sind Kerry Hill-Schafe. Die kommen aus Wales und sehen sehr speziell aus. Weiß mit schwarzen „Knieschonern“, schwarzem Maul, schwarze Ohren… Die sehen schon fremd aus, auch für unsere Schafe hier. Wir haben die schon seit ein paar Jahren. Mein Mann hütet Schafe. Wir haben zwei Hütehunde, er betreibt das als Hobby.
Frage: Warum hat er sich denn für so eine besondere Schafrasse entschieden?
Martina Spangenberg: Angefangen haben wir mit Heidschnucken. Die sind ja auch sehr lecker. (alle lachen). Also eigentlich hatten wir ja einfach nur ein Haus mit einer Weide gekauft. Zum Rasenmähen hatten wir keine Lust. Also Schafe. Erst Heidschnucken, dann ursprünglich aus Ostpreußen stammende Skudden. Die gehören zu den bedrohten Rassen und sind sehr klein. Das passte gut, weil unsere Weide auch sehr klein war. Als mein Mann dann aber mit dem Hüten mithilfe von Hunden anfing, ging das mit den Skudden nicht mehr. Wenn bei denen ein Hund auf die Weide kommt, springen die aus dem Stand über den Zaun und sind verschwunden. Also brauchten wir andere Schafe. Kerry Hill-Schafe lassen sich gut hüten und haben keine Hörner. Sie verfangen sich also nicht in den Zäunen.
Frage: Beim Schäfer- und Hutefest werden wir welche sehen?
Martina Spangenberg: Wir kommen morgens mit einem Hänger und bringen die mit. Mein Mann wird Vorführungen mit den Hunden machen, so dass man die Hunde und die Schafe in Aktion sehen kann.
Frage: Haben Sie solche Ausgrenzungen, wie Herr Wolf bei Schafen beobachtet hat, auch schon wahrgenommen?
Martina Spangenberg: Schafe bilden als Herde eine starke Gemeinschaft. Aber sie lassen auch niemanden in diese Gemeinschaft hinein. Wir erleben es immer wieder, dass wir kleine mit der Flasche großgezogene Lämmer nur mit großen Schwierigkeiten hinterher wieder in die Herde integrieren können. Die werden regelrecht gemobbt.
Frage: Im Buch gibt es dafür ja einen Lösungsansatz, den das ausgegrenzte Schaf für die Gruppe in einer kritischen Situation selbst liefert. Wäre das in der Realität der Schafherde auch ein Weg?
Martina Spangenberg: Bei Schafen läuft das Gemeinschaftsgefühl ja hauptsächlich über Geruch und ähnliches Aussehen. Wenn wir mit den Händen den Geruch austauschen, das eine Schaf also anfassen und mit dessen Geruch das andere berühren, wird es einfacher. Und natürlich bringt auch die Zeit etwas.
Gerd Wolf: In dem Buch geht es ja ganz grundsätzlich um Integration. Das Problem kennen alle Kinder. Sie erleben auch immer wieder Situationen, in denen sie allein sind und gerne irgendwo mitmachen und dazugehören möchten. Genau darum kämpft das kleine Schaf in dem Buch. So etwas findet tagtäglich statt. Wenn Kinder neu in einen Schwimmverein kommen. Oder in den Kindergarten. In die Schule. In der Pause geht es vielleicht darum, wer wo mitspielen darf. In dem Zusammenhang spielen Dinge wie das Aussehen, die Sprache oder die Herkunft eine Rolle. Das geht jedem Kind so, auch wenn es nicht aus einem anderen Land, sondern einfach nur aus Holzminden kommt. Deshalb können sich Kinder in die Situation hineindenken. Und das gelingt sogar noch einmal umso besser, wenn es um ein Tier geht.
Frage: Haben Sie das von Kindern während ihrer bisherigen Lesungen auch so gespiegelt bekommen?
Martina Spangenberg: Haben wir. Die Kinder haben genau das formuliert. Ein Kind hat nach einer Lesung zu seiner Pflegemutter hinterher gesagt: Die haben ja meine Geschichte geschrieben. Das hat uns gerührt. Wir wollten das natürlich, aber wenn die Kinder das dann so formulieren, tut es fast weh.
Gerd Wolf: Ich habe schon an vielen Schulen gelesen und dabei entsprechende Erfahrungen gemacht. Im Lunautal bei Hardegsen, wo die Geschichte spielt, haben wir eine szenische Lesung inszeniert. Mit echten Schafen und echten Hunden auf der Weide. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Wir verwenden bei der Lesung auch eine Schafpuppe, die so aussieht wie „so anders“.
Frage: Sie werden das Buch auch auf dem Schäfer- und Hutefest vorlesen?
Gerd Wolf: Wir stehen den ganzen Tag über am Bücherstand des Mitzkat-Verlags. Ein paar Meter weiter entfernt gibt es einen kleinen Kreis aus Strohballen. Da werden wir das Buch dann vorlesen.
Martina Spangenberg: Über den Tag verteilt gibt es mindestens drei Lesungen.
Frage: Vielen Dank für das Interview.
Foto: Landkreis Holzminden