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Sonntag, 22. Dezember 2024 Mediadaten Fankurve
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Holzminden (r). Am Ende hatte Mike* doch Freudentränen in den Augen. Störrisch hatte sich der 17-Jährige lange verweigert. Schule war für ihn wie alles andere, was von Erwachsenen an ihn herangetragen wurde, ganz großer Mist. Im Schulkurs der Kreisvolkshochschule Holzminden hatte er erst in den letzten Wochen angefangen zu pauken. Und den Hauptschulabschluss schließlich sogar mit zwei Zweien auf dem Zeugnis geschafft. Das Erfolgserlebnis, endlich einmal eine Hürde genommen zu haben, kann sich für Mike positiv auswirken. Denn mit dem geschafften Abschluss ist nicht nur seine Chance, sondern auch seine Bereitschaft gestiegen, ins Berufsleben einzusteigen. Seit 1982 gibt es den Kurs für Nichtschüler an der Holzmindener Kreisvolkshochschule für all diejenigen, die auf dem ersten Bildungsweg gestrauchelt sind. Die Gründe für deren Scheitern sind vielfältig, mit mangelnder Intelligenz hat das oft wenig zu tun. Jährlich schaffen es 15 bis 20 junge Menschen dank des zweiten Bildungsweges mithilfe des Schulkurses der KVHS, ihren Schulabschluss nachzuholen und damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich zu verbessern.

Wenn Mike eine Ausbildung finden sollte, ginge es ihm so wie Erik*. Den kann man nämlich heute in einem renommierten Holzmindener Autohaus finden, wo er seinen Kunden ganz selbstverständlich einen ebenso fachkundigen wie freundlichen Service angedeihen lässt. Dass er eine extreme Drogenkarriere als Jugendlicher hinter sich hat, die unweigerlich an den Abgrund zu führen schien, weiß nach zehn Jahren niemand mehr. Die Schule schmiss er, und durch den Konsum wurde er, nicht untypisch, auch kriminell. Richterliche Auflagen und nicht zuletzt auch die Jugendgerichtshilfe, zu deren Wiedereingliederungsstrategie auch der nachträgliche Erwerb eines Schulabschlusses gehört, brachten Erik zum KVHS-Schulvorbereitungskurs. Wie bei Mike gehörte der erfolgreich absolvierte Kurs zu den ersten wirklich positiven Erlebnissen von Erik. Mit dem neuen Gefühl, gesellschaftliche Anerkennung bekommen zu können, stieg auch die Motivation, aus dem eigenen Leben etwas zu machen.

Menschen mit Konsumproblemen sind eine Gruppe, die sich in dem anderthalbjährigen KVHS-Kurs um einen nachträglichen Abschluss bemühen. Eine andere sind junge, häufig sogar minderjährige Eltern, die sich mit der Doppelbelastung tagtäglicher Erziehungsarbeit und dem eigenen Lernen komplett überfordert sehen. Die auf wöchentlich lediglich zwei bis drei Tage reduzierte Schulzeit des KVHS-Kurses jedoch ist für die jungen Erwachsenen zu bewältigen. Die neue familiäre Situation kann, nicht selten mithilfe der eigenen Eltern, in Einklang gebracht werden.

„Was wir hier machen, ist keine reine Wissensvermittlung.“, stellt Katharina König, zuständige Pädagogische Mitarbeiterin der KVHS, klar. „Wir gehen gezielt auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmenden ein.“ Im Unterricht stehe stets die Verknüpfung mit dem Alltag im Vordergrund, um den Sinn des Lernens stärker zu verdeutlichen. Darüber hinaus sei aber auch die Unterstützung durch häufigeres Lob verknüpft mit der Reflexion des Lernprozesses nötig. Dies sei von besonderer Bedeutung, denn so gelinge es, den Teilnehmenden positive Entwicklungen bewusst werden zu lassen. Häufig fühlten sich diese als Bildungsversager, denen es schwer falle, Lernfortschritte erkennen zu können.

Bei einer großen Gruppe von Schülern ist schon allein die Regelmäßigkeit des wöchentlichen Unterrichts ein Problem. Häufig genug eben deshalb, weil sie dies zu Hause nie einüben konnten. Wenn es für Manuel* und seine Brüder beispielsweise Zeit war, aufzustehen, um zur Schule zu gehen, waren die Eltern schon bei der Arbeit. Mutter und Vater sind im Schichtbetrieb tätig, an eine Überprüfung von Hausaufgaben oder gar, ob die Kinder überhaupt regelmäßig die Schule besuchen, war nicht zu denken. Das Scheitern der drei Jungs in der normalen Schule war entsprechend vorprogrammiert. Erst mit dem Vorbereitungskurs der KVHS konnten langsam aber stetig Grundlagen erarbeitet werden, um den Schulabschluss nachzuholen. Und nicht zuletzt wurden damit auch wichtige Eckpfeiler für eine später erfolgreiche Berufsausbildung gesetzt.

Eine Beschulung, bei der Pünktlichkeit oder permanente Anwesenheit genauso zum Unterricht gehören, wie Mathe, Englisch oder Biologie stellt die Lehrkräfte auf eine harte Geduldsprobe. Denn sie müssen methodisch-didaktisch und auch inhaltlich immer mal wieder an Stellen ansetzen, die eigentlich schon längst erledigt schienen. Und für Kursleiterin Katharina König-Brittner wiederum bedeutet eine solche Begleitung, auch nach Kursschluss oder gar Feierabend immer mal wieder zum Telefonhörer greifen zu müssen, um den nötigen Anschub für den entsprechenden Arbeitswillen zu geben. Im Rahmen einer Einzelfallhilfe unterstützt sie auch bei individuellen Problemlagen und bietet Möglichkeiten der lösungsorientierten Beratung. Die Wertschätzung, die die Teilnehmenden dabei gleichzeitig erfahren, trägt dazu bei, dass sie den steinigen Weg hin zur Verlässlichkeit und Selbstmotivation gehen können.

Doch nicht alle schaffen trotz solch intensiver Betreuung wie Manuel und seine Brüder den Haupt- oder Realschulabschluss und finden anschließend eine Ausbildungsstelle. Sei es, weil sie während des Kurses abspringen, sei es, weil sie die Nerven kurz vor der anstehenden Prüfung verlieren und nicht antreten. Und schließlich gibt es natürlich auch noch die, die den Abschluss trotz aller Bemühungen nicht schaffen. Nicht wenige der Abgesprungenen oder Durchgefallenen sieht Katharina König-Brittner allerdings irgendwann wieder, wenn sie nach einer Karenzzeit dann einen zweiten Anlauf nehmen. Die Chance dafür bekommen sie.

Nina* zum Beispiel gehört zur großen Gruppe derjenigen, die es aus psychosomatischen Gründen zum KVHS-Vorbereitungskurs verschlagen hat. Nicht wenige Jugendliche haben wie Nina große Probleme mit den größeren Klassenstärken. Zusätzliche traumatische Erfahrungen, wie etwa der Verlust eines Eltern- oder Familienteiles bringen dann manchmal das seelische Gleichgewicht vollends ins Wanken, so dass die Regelschule ohne Schulabschluss  verlassen wird.

So sei es auch schon mal in Ordnung, dass ein Mensch mit einer Angststörung den Raum verließe, wenn es ihm zu viel wird. „Das ist hier natürlich keine Therapie“, sagt Katharina König-Brittner, „aber es hilft halt schon, dass wir uns auf das Tempo der Lernenden einlassen und bei Selbstzweifeln Mut machen.“ Und manchmal bedürfe es halt mehrerer Anläufe, um den Schritt bis zur abschließenden Prüfung zu schaffen. Aber wer gelernt habe, dass man ihm die Zeit lasse, sei am Ende auch in der Lage, große Entwicklungssprünge zu machen, weiß die Kursleiterin.

Nina gehörte zu denjenigen, die anfangs kaum ansprechbar waren. Ohne erkennbaren Grund sprang sie während des Unterrichts plötzlich auf und flüchtete. Schon nach wenigen Wochen war klar, dass sie nicht durchhalten würde. Beim zweiten Anlauf jedoch lief es deutlich besser. Sie hatte Vertrauen gefasst, blieb und beteiligte sich auch sporadisch. Den Hauptschulabschluss schaffte sie mit Ach und Krach, aber der Erfolg motivierte zum Weitermachen. Mittlerweile nimmt Nina ganz selbstverständlich regelmäßig am Unterricht teil, kann sich mit ihren eigenen Defiziten kritisch auseinandersetzen und glänzt durch einen reflektierten Umgang mit den Unterrichtsthemen. Beste Voraussetzungen also, um einen guten Realschulabschluss zu erlangen.

Entwicklungen wie die von Nina sind kein Einzelfall und sie helfen, jungen Leuten, die sich schon fast selbst aufgegeben hatten, noch einen Weg in ein normales Leben zu finden. Welchen Stellenwert der Kurs für Nichtschüler als Mittel zur sozialen Integration mittlerweile bekommen hat, zeigt sich auch daran, dass das niedersächsische Kultusministerium nach 20 Jahren 2016 eine Novellierung der Prüfungsverordnung auf den Weg gebracht hat. Die Notwendigkeit des Angebotes für eine nachträgliche Beschulung ist also erkannt. Immerhin 20 Kursteilnehmende haben nach der neuen Verordnung im ersten Jahr in Holzminden einen Abschluss erwerben können, davon 18 einen Realschulabschluss.

Ein weiterer Kurs ist dank der Förderung durch das Land Niedersachsen aus dem Sonderfonds zur Unterstützung und Förderung des lebenslangen Lernens in Planung. Er soll im September mit maximal 15 Teilnehmenden starten. Interessenten sollten sich dafür schon jetzt bei der KVHS unter Telefon 05531 707-224 oder per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. anmelden.

* Namen von der Redaktion geändert

Foto: Landkreis Holzminden/KVHS

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