Holzminden (red). Als starke Unwetter das Elternhaus der HAWK-Absolventin Iris Kammerer letzten Sommer im Oberschwäbischen Landkreis Biberach überschwemmten, beschloss die heutige Ingenieurin, sich diesem Thema in ihrer Masterarbeit zu widmen. In ihrer Arbeit der Studienrichtung Energieeffizientes und nachhaltiges Bauen (ENB) an der HAWK im niedersächsischen Holzminden beschreibt sie, wie sich Hochwassergefahren abschätzen lassen, welche vorsorglichen und nachträglichen Maßnahmen es gibt und wie man sein Haus nachhaltig wiederaufbauen kann. Ihre Ergebnisse kann dabei jede/r praktisch umsetzen. Den Masterabschluss hat die 26-Jährige seit Anfang Juli in der Tasche. Hinzu kommt eine besondere Auszeichnung ihrer Studienstadt: Mit einem Notendurchschnitt von 1,1 sicherte sie sich als beste Absolventin der Masterstudiengänge im Bereich Bauen und Immobilienmanagement den Haarmannpreis der Stadt Holzminden. 

Vorsorgen, Nachrüsten, Nachhaltigkeit beachten

Der erste Schritt, um Hochwasserschäden, wie sie in Kammerers Heimat Baltringen, einem Ortsteil von Mietingen im Landkreis Biberach, passiert sind, zu vermeiden, ist eine Hochwasserrisiko-Analyse. Diese hat Kammerer jetzt in ihrer Arbeit entwickelt. Die Analyse ermöglicht es Hauseigentümern, selbst eine Einschätzung über das vorhandene Hochwasserrisiko vorzunehmen. Es werden verschiedene Parameter zur Lage, zum untersuchten Objekt und zu bereits getroffenen Vorsorgemaßnahmen abgefragt. Am Ende können Hauseigentümer erkennen, wie es um die eigene Risikosituation steht und wo es noch Defizite beim Hochwasserschutz gibt.

Auch formuliert Kammerer konkrete Vorsorge- und Schutzmaßnahmen. Dabei unterscheidet sie zwischen Hochwasserschutz, der sich schon beim Bau eines Hauses umsetzen lässt und Nachrüstlösungen für bereits bestehende Häuser. „Dazu habe ich eine umfangreiche Tabelle erstellt, die Maßnahmen zu verschiedenen Themengebieten enthält, zum Beispiel Bauwerksabdichtung, Abdichtungs- und Schutzmaßnahmen von Gebäudeöffnungen, Haustechnik oder Dachabdichtungen“, erklärt die HAWK-Absolventin. „Bei einem Neubau können diese Dinge schon in der Planung berücksichtigt werden“, führt sie weiter aus. Naheliegend sei dabei, nicht in hochwassergefährdeten Gebieten, in Senken oder Tälern zu bauen. Wenn doch, sollten Bauherren auf einen Keller verzichten und zum Beispiel über eine Aufschüttung des Grundstücks nachdenken. Falls ein Keller oder eine Tiefgarage gewünscht ist, sollte die Unterkellerung zum Schutz vor eindringendem Grundwasser mit wasserundurchlässigem Material ausgebildet werden.

Bei bestehenden Gebäuden sind dagegen nur nachträgliche Maßnahmen möglich. „Hier kann man das Eindringen von Wasser direkt am Gebäude verhindern. Eine Maßnahme ist die Erhöhung der Kellerlichtschächte. Oder man konzentriert sich auf den Außenbereich“, so Kammerer. 

„Nachhaltiger Wiederaufbau“ ist Kammerers zweites Stichwort. „Wem der Keller einmal vollgelaufen ist, der will das kein zweites Mal erleben.“ Deshalb erarbeitete die Ingenieurin zusätzlich Sanierungsvorschläge, die beim Wiederaufbau berücksichtigt werden können. Konkret stellt sie Baumaterialien und Konstruktionen vor, die besonders hochwasserresistent sind.

Vorsicht bei Ölheizungen

Trotz aller Vorsorgemaßnahmen bleibe natürlich ein Restrisiko, mahnt Kammerer. Wenn Wasser ins Haus eindringt, könnten vor allem Ölheizungen zum Problem werden: „Bringt das Wasser die Öltanks zum Kippen, entsteht eine Kontamination, die die Bausubstanz erheblich schädigt.“ Eine erste Maßnahme sei hier, die Öltanks durch Verschraubungen oder spezielle Halterungen zu sichern. Grundsätzlich rät die Ingenieurin aber zum Umstieg auf andere Energieträger. Bei dem Studienfach rund um energieeffizientes, nachhaltiges Bauen fast selbstredend.

Entstehung der Arbeit

Gemeinsam mit ihren Professoren und Praxispartner Dipl.-Ing. Florian Leo von der SparkassenVersicherung  wählte Kammerer zwei Beispiele für ihre Arbeit: Zum einen ihr Elternhaus, bei dem sich der Keller im Mai 2016 bis zur Decke füllte und zum anderen den Kindergarten St. Nikolaus. Hier gibt es keinen Keller; dafür stand das Erdgeschoss mehr als einen Meter unter Wasser. Weil die vielen ebenerdigen Fenster bei kurzfristigem Hochwasser kaum abgedichtet werden können, nahm sie den Außenbereich in den Blick und erstellte ein Geländemodell mit verschiedenen Schutzmaßnahmen.

Motivation und Ausblick

„Natürlich war es im ersten Moment der persönliche Bezug. Mein Elternhaus stand unter Wasser, viele Einrichtungen, die ich gut kenne, waren auch betroffen“, erinnert sich Kammerer. Gleichzeitig habe sie aber auch als Ingenieurin gedacht. „Energieeffizientes und nachhaltiges Bauen“, ihr Studienfach an der niedersächsischen HAWK, habe gleich mehrere Anknüpfungspunkte geliefert. Dass neben der Arbeit mit Modellen und Theorien auch die Praxis eine Rolle im Studium spielt, hätte dem Vorhaben zusätzlich in die Karten gespielt. „Schließlich wollte ich echte Hilfestellungen zum Hochwasserschutz an Gebäuden erarbeiten.“

Das Haus der Familie Kammerer in Baltringen ist mittlerweile wiederhergerichtet. Die meisten Vorschläge von Tochter Iris haben die ausführenden Firmen umgesetzt. Der Leiterin des Kindergartens, für den sie unter anderem das Geländemodell erstellt hat, wird Kammerer ihr Konzept demnächst vorstellen. Was sich daraus ergibt, ist noch offen. 


Die Hochwasserrisikoanalyse will Kammerer wie versprochen der Versicherung vorlegen, mit der sie für ihre Masterthesis zusammengearbeitet hat. Die Risikoabteilung könne sich vorstellen, damit zu arbeiten und die Analyse auch an Kunden weiterzugeben, berichtet Kammerer. So oder so will sie die Ergebnisse aber jedem zur Verfügung stellen, der sich interessiert.

Nach der Zeit an der HAWK zieht es sie jetzt in Richtung Nürnberg. Als Projektleiterin möchte sie die Sanierung von denkmalgeschützten und anderen Gebäuden im Bestand koordinieren.

Foto: HAWK