Kreis Holzminden (kp). Vor knapp einer Woche präsentierte der Landkreis ein Zwischenergebnis zu den Beratungsgesprächen des Bildungsgipfels. Zentrales Thema: Die zukünftige Schullandschaft im Kreis Holzminden und die damit einhergehende Frage nach dem Fortbestehen einzelner Schulstandorte. Die Auftaktveranstaltung fand Anfang März statt. Seither hat es mehrere Vor-Ort-Gespräche mit dem Flecken Delligsen und den Samtgemeinden gegeben, in denen Vorschläge aufgenommen wurden. In seiner Zwischenbilanz vom vergangenen Dienstag fanden nun auch zwei Varianten Platz, die der Landrat Michael Schünemann mit seiner Verwaltung ausgearbeitet hat.

„Errichtung von zwei zentralen Schulstandorten im Landkreis Holzminden“, heißt es zur ersten Variante. Hier ist der Standort Süd mit Holzminden (OBS und Campe) und Bevern als OBS-Außenstelle festgelegt. Für den Standort Nord sieht die Variante einen Schulneubau in Form einer Integrierten Gesamtschule (vierzügig, rund 40 Mio Euro) in Eschershausen vor. Die Umsetzung dieser Variante würde das Aus für die Oberschulen in Bodenwerder, Stadtoldendorf und Delligsen sowie für die Haupt- und Realschule Eschershausen bedeuten. Bezüglich einer Nachnutzung der Gebäude gibt es noch keine abschließend konkreten Vorstellungen. Die zweite Variante erwägt mit Oberschulen in Holzminden, Stadtoldendorf und Bodenwerder die Errichtung von drei zentralen Schulstandorten im Landkreis. Ein Rückbau beziehungsweise eine Neuausrichtung würde demnach an den Oberschulen in Delligsen und Bevern sowie an der HRS Eschershausen erfolgen.

Die Vorsitzende des Kreiselternrates habe der Landrat mit seinen Ideen bereits überzeugen können, sagen die zuständige Dezernentin Marie-Luise Niegel und Pressesprecher Peter Drews gegenüber unserer Redaktion. „Die Wahrheiten sind unangenehm, aber sie müssen wieder zurück auf den Tisch“, führt Peter Drews während unseres Gesprächs aus. Über die schulische Gestaltung im Kreis Holzminden werde schon seit mehr als zehn Jahren hitzig diskutiert. Mehr als 120 Beschlüsse und Ergänzungsvorlagen habe der Kreistag seit 2010 gefasst und nicht wenige davon nicht umgesetzt. Es sei Zeit, endlich Entscheidungen für eine lebensfähige Schullandschaft zu fällen. Die Problemfelder seien unübersehbar. Den Sanierungsstau an den kreiseigenen Schulen beziffert Dezernentin Niegel auf mittlerweile 100 Millionen Euro. Die immer geringer werdenden Schülerzahlen, die schlechte Unterrichtsversorgung und die Tatsache, dass circa 40 Prozent aller Schüler Schulen außerhalb des Landkreises besuchen, bedingen ebenso einen dringenden Handlungsbedarf.

Dann ist da noch ein Auszug aus der Haushaltsgenehmigung vom 23. Juni 2020 und es wird klar: Auch die Kommunalaufsicht in Hannover macht Druck.

„(…) hinsichtlich der weiteren größeren Schulbauprojekte erwarte ich eine vorherige fundierte Schulbedarfsplanung“, steht da.

Die Verwaltung wolle mit ihren Vorschlägen nun Perspektiven schaffen und tragfähige Lösungen anbieten. „Entscheiden wird die Politik“, fügt Peter Drews hinzu. Anfang September soll es die Abschlussveranstaltung zum Bildungsgipfel geben, dann sollen nochmal „Eckpunkte abgeklopft und ergänzende Vorschläge“ aufgenommen werden. Anschließend soll bereits eine Empfehlung für den Kreistag formuliert werden.

Wir haben bei den Samtgemeinden, Mitgliedern des Kreistages und Landtagsabgeordneten nachgefragt. Wir baten um eine kurze Stellungnahme zu den vorläufigen Ergebnissen des Bildungsgipfels und explizit zu den vorgeschlagenen Varianten des Landrates. Nachfolgend sind die Stellungnahmen aller Befragten aufgeführt.   

Sabine Tippelt (SPD), Mitglied des Kreistages und Landtagsabgeordnete

„Wir haben uns bereits vor circa zwei Wochen fraktionsübergreifend in Delligsen für den Erhalt der Oberschule in Delligsen ausgesprochen. Es gab eine einstimmige Resolution. Daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Mein Standpunkt ist: Durch Schulschließungen wird der Landkreis Holzminden geschwächt. Wir werden fraktionsübergreifend an einem Konzept zum Erhalt der Oberschule arbeiten und prüfen, wie wir Synergieeffekte erzeugen können. Klar ist, dass auch Veränderungen stattfinden müssen und da sind wir selbstverständlich gesprächsbereit. Die Oberschule Delligsen muss verkleinert werden. Dazu könnte man über den Rückbau des Altbaus und der Pavillons nachdenken. Dennoch spreche ich mich hier ganz klar für den Erhalt der Oberschule Delligsen aus.“

Tanya Warnecke (CDU), Samtgemeindebürgermeisterin Bodenwerder-Polle

„Ich beziehe mich auf den Ratsbeschluss der Samtgemeinde Bodenwerder-Polle vom 5. Dezember 2019, in dem es heißt, dass sich Politik, Verwaltung, Eltern und Schulleitungen ausdrücklich zu allen Schulen in unserer Samtgemeinde bekennen. Die Tragbarkeit aller Standorte soll fortlaufend und transparent geprüft werden. Bei Handlungsbedarf, und den sehe ich jetzt, kommen die Beteiligten unverzüglch in die Beratung, um die schulsche Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen bestmöglich gemeinsam zu gestalten. Die wenigen Arbeitsergebnisse, die bis jetzt vorliegen, zeigen, dass Potentiale und Synergieeffekte am Standort Bodenwerder möglich sind.“

Wolfgang Anders (parteilos), Samtgemeindebürgermeister Eschershausen-Stadtoldendorf

„Ich sehe es sehr wohl als Notwendigkeit an, über die Schulen im Landkreis nachzudenken, denn in der Vergangenheit ist aus meiner Sicht der Fehler seitens des Landkreises gemacht worden, zu wenig in die Sek-1-Schulen zu investieren. Dies hat zur Abwanderung von Schülerinnen und Schülern geführt, wie ich aus meinem Bekanntenkreis sehr wohl weiß. Der Schulringtausch in Holzminden, wo ja auch schwindende Schülerzahlen festzustellen waren, ist mit Bedacht entschieden worden und die Investition wird gerade vollzogen. Diese Entscheidung hat Jahre gedauert und man hat dabei eng die Beteiligten vor Ort eingebunden. Nunmehr gilt es, ebenfalls eine einvernehmliche Lösung mit den Kommunen im Nordkreis zu finden. Wenn man nun Zeitdruck aufbauen will, wird man die Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Standortkommunen nicht mitnehmen können. Letztlich wird in den Schulen ja eine gute Arbeit geleistet, dies darf nicht vergessen werden. Viele Fragen sind für mich noch nicht geklärt, insbesondere die künftige Nutzung der Schulen und Turnhallen, die man aufgeben möchte. Eines steht für mich fest, jede Kommune, die eine Sek. 1 –Schule verliert, hat künftig einen erheblichen Standortnachteil, der vom Landkreis ausgeglichen werden muss. Ich gehe davon aus, dass dies dem Landkreis bewusst ist.“

Uwe Schünemann (CDU), Mitglied des Kreistags und Landtagsabgeordneter

„Die CDU-Kreistagsfraktion wird zunächst mit dem Kreiselternrat und Vertretern der Oberschulen intensive Gespräche führen und danach in einer Fraktionsklausurtagung eine Stellungnahme erarbeiten. Dabei werden wir die dringend notwendige Digitalisierung, die Entwicklung der Bildungsqualität und die berechtigten Interessen der Kommunen berücksichtigen. Zu Recht ist dieses Thema emotional besetzt. Deshalb wollen wir vor einer Entscheidung eine breite Diskussion führen. Am Ende muss ein Schulangebot stehen, das unseren Schülerinnen und Schülern optimale Zukunftschancen ermöglicht. Unter diesen Gesichtspunkten werden wir die Vorschläge des Landrates bewerten oder eigene Vorschläge unterbreiten."

Thomas Junker (CDU), Samtgemeindebürgermeister Bevern

„Die Oberschule Bevern wird schon aus Platzgründen für den Bereich Holzminden-Bevern benötigt und hat, je Schülerin und Schüler gerechnet, die geringsten Aufwendungen aller Oberschulen im Kreis. Deshalb ist es für mich auch nachvollziehbar und keine Überraschung, dass an unserem Schulstand festgehalten werden soll. Zur Situation im  Nordkreis ist zu sagen, dass das nicht uninteressant für die Samtgemeinde Bevern ist, denn die Schülerinnen und Schüler aus Negenborn und Holenberg wäre eine IGS in Eschershausen eine tolle, neue Option. Deswegen haben wir ein Interesse daran, dass es auch dort ein gutes Schulangebot gibt. Zum anderen ist es auch so, dass die Samtgemeinde Bevern auch umfangreiche Beträge zur Kreisschulbaukasse erbringen muss und insofern halte ich es für wichtig und erforderlich, dass man hier eine wirtschaftliche Lösung anstrebt. Die wirtschaftlichste Lösung muss nun seitens des Landkreises geprüft werden. Es muss zudem bedacht werden, wie alle Samtgemeinden mitgenommen werden, um zu einer Lösung zu kommen, die von allen getragen wird, auch wenn vielleicht nicht alle von vornherein gleich glücklich mit dieser Entscheidung sind. 

Hermann Grupe (FDP), Mitglied des Kreistags Bürgermeister von Eschershausen und Landtagsabgeordneter

„Unsere Schulen vor Ort sind uns wichtig. Wir alle haben uns immer dafür eingesetzt, sie zu erhalten. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sie teuer sind. Der Sanierungsbedarf liegt laut Kreisverwaltung bei insgesamt 100 Millionen Euro. Das in Schulen zu stecken, die in die Jahre gekommen und gerade noch zweizügig sind, kann niemand verantworten. Der Vorschlag des Landrates ist zwar sehr weitgehend, bietet aber aus meiner Sicht eine riesen Chance, hier, mitten im nördlichen Bereich, ein attraktives Schulangebot zu verwirklichen. Wir wissen, dass die Schule in Delligsen abgängig ist und ein Neubau günstiger wäre, als zu sanieren. Die Schülerzahlen sind dort ähnlich gering wie bei uns in Eschershausen. In Bodenwerder ist eine Schule, die für 1200 Schüler gebaut ist und nur 248 hat. Dieses Schulzentrum wird also nur zu einem geringen Teil genutzt, verursacht aber sehr hohe Kosten, wie uns die Kreisverwaltung dargelegt hat. In Stadtoldendorf ist auch ein entsprechender Sanierungsbedarf, laut Kreisverwaltung bei 12 Millionen Euro. Insofern würde eine zentrale Schule die Größenordnung erreichen, die für eine IGS mit Gymnasial-Zweig nötig ist. Das ist etwas, wofür unsere Schüler bisher entweder nach Holzminden oder nach Dassel oder aus dem Bereich Bodenwerder nach Hameln fahren müssen. Wenn wir hier (Eschershausen) eine qualitativ hochwertige Schule haben, hätten wir für die Schüler mit einem hervorragenden Angebot etwas für die nächsten Jahrzehnte geschaffen.  Auch bei Kosten von insgesamt 40 Millionen hätte man dann etwas Neues und Zukunftsweisendes und wäre noch nicht einmal bei der Hälfte der Sanierungskosten der anderen Schulen.“

Stephan Willudda, Bürgermeister Flecken Delligsen

„Im Rahmen des Bildungs- und Betreuungsgipfels gab es bislang drei Veranstaltungen: eine Auftaktveranstaltung im März, ein Informationsaustausch in der jeweiligen Gemeinde und die Veranstaltung am 23. Juni. Der Landkreis hat zwei Varianten vorgestellt, die beide die Schließung des Schulstandortes Delligsen vorsehen. Beide Varianten wurden vorab nicht mit dem Flecken Delligsen besprochen. Ich gehe davon aus, dass die Diskussion vor Ort schnellstmöglich nachgeholt und auch noch über weitere Alternativen gesprochen wird. Die fehlende Unterhaltung des Schulkomplexes in den letzten Jahren wird jetzt als Argument für zu hohe Sanierungskosten herangezogen. Mit der Schließung der Oberschule wären viele weitere Fragen verbunden, die aus meiner Sicht noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die Schule ist ein wichtiger Standortfaktor für Familien, die bereits hier wohnen oder hierher ziehen wollen.“.