Göttingen (red). Der Großeinsatz der Polizei am Samstag in Göttingen, anlässlich einer Demonstration mit dem Motto "Versammlungsfreiheit statt Extremismus" und mehreren Gegenkundgebungen, endete mit über 20 verletzten Einsatzkräften und mehr als 60 eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Gesamteinsatzleiter Rainer Nolte zieht eine gemischte Bilanz und äußert seine Sicht auf den Einsatzverlauf.
"Zum einen bin ich froh darüber, dass es uns gelungen ist, unseren Auftrag zur Durchsetzung des Versammlungsrechts umzusetzen. Unser abgestuftes Einsatzkonzept ist damit größtenteils aufgegangen. Durch den Einsatz von Konfliktmanagern, einsatzbegleitende Kommunikation und deeskalierendes Vorgehen ist es uns nahezu vollständig gelungen, das Versammlungsrecht der anlassgebenden Versammlung zu gewährleisten und die von der Versammlungsbehörde bestätigte Aufzugsroute im Wesentlichen zu ermöglichen. Der Großteil der Gegendemonstrierenden verhielt sich friedlich und hat damit ein klares Signal für die Rechtstaatlichkeit gesetzt. Das freut mich außerordentlich und dafür möchte ich mich auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen bedanken. Selbst kurzfristige, symbolische Blockaden, die nach Aufforderung durch die Polizei freiwillig beendet wurden, sind aus meiner Sicht als Zeichen der konträren Meinung zulässig. Leider gab es jedoch auch einige Hundert Menschen, die sich nicht an die demokratisch legitimierten Protestformen gehalten haben. Gegenüber diesen Menschen mussten wir zur Durchsetzung der Verfügungen körperlichen Zwang anwenden und in Einzelfällen leider auch von Schlagstöcken und Pfefferspray Gebrauch machen", so Nolte.
An der als "Querdenker"-Versammlung eingestuften "Versammlungsfreiheit"-Demonstration beteiligten sich nach polizeilichen Schätzungen in der Spitze etwa 480 Personen. Entlang der Aufzugsroute kam es zu mehreren Blockadeaktionen, darunter eine mit geschätzten 1.200 Personen, die den Weg versperrten. Einsatzkräfte mussten unmittelbaren Zwang anwenden, um die Straße zu räumen.
Die versammlungsrechtliche Aktion endete nach der Abschlusskundgebung gegen 18.45 Uhr. Ein geplanter Autokorso wurde abgesagt.
21 Polizeibeamte verletzt, 60 Ermittlungsverfahren eingeleitet
Am Einsatztag wurden 21 Polizeibeamte verletzt, darunter Atemwegsreizungen, Prellungen und Schürfwunden. Die Polizei leitete etwa 60 Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Delikte ein, darunter Landfriedensbruch, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff, Körperverletzung und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Vier Personen wurden vorläufig festgenommen, und die Identität von etwa 60 weiteren Personen wurde festgestellt.
Steinwürfe und Schmierereien am Vorabend
Bereits am Vorabend der Demonstration fand eine nicht angezeigte Versammlung mit etwa 50 vermummten Teilnehmern statt. Dabei wurden gezielt Steine auf einen fahrenden Funkstreifenwagen, die neue Innenstadtwache und ein Geldinstitut geworfen. Es entstanden erhebliche Sachschäden, und die Besatzung des Funkstreifenwagens blieb unverletzt. Ebenso wurden Depots von Steinen, Baumaterialien und Weihnachtsbäumen entlang der Aufzugsroute beseitigt.
Einsatzleiter Nolte äußerte sich zu den Vorfällen: "Insgesamt 21 verletzte Einsatzkräfte, diese Zahl macht mich wirklich fassungslos, denn die Kolleginnen und Kollegen haben wieder einmal sprichwörtlich ihren Kopf für den Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit hingehalten. Bereits in der Nacht zuvor zogen einige Vermummte durch die Göttinger Innenstadt und haben gezielt mit Steinen auf einen fahrenden Funkstreifenwagen, unsere neue Innenstadtwache und ein Geldinstitut geworfen. Dabei entstanden hohe Sachschäden, die Besatzung des Funkstreifenwagens kam zum Glück nicht zu Schaden. Ich frage mich, was derlei Taten bewirken sollen. Dem noch nicht genug, konnten entlang der Aufzugsroute angelegte Depots von Steinen und Baumaterialien oder Weihnachtsbäumen mit Unterstützung des städtischen Bauhofs rechtzeitig vor Demonstrationsbeginn abgeräumt/beseitigt und somit Schlimmeres verhindert werden. Auch die Tatsache, dass während des Aufzugs wiederum Mülltonnen und andere Gegenstände in Brand gesetzt worden sind oder dass Nebeltöpfe gezündet wurden, macht mich sprachlos. Solche Verhaltensweisen sind durch nichts zu rechtfertigen. Damit stellen sich diese Menschen selbst ins Abseits und outen sich als Antidemokraten."
Foto: Polizeiinspektion Göttingen