Hannover (red). Die jüngste Entwicklung der Zahl der Corona-Neuinfektionen übertrifft leider noch einmal alles, was Niedersachsen im Frühjahr und Frühsommer erlebt hat. Ende Juli lag die Zahl der infizierten Personen in Niedersachsen bei rund 550, heute liegt sie bei fast 11.000 (genau: 10.986). Der Höchstwert der täglichen Neuinfektionen lag im Frühjahr bei etwa 450, heute liegt er bei 1.550. Besonders die Entwicklung der Neuinfektionen bei Menschen über 60 Jahren ist beunruhigend: Waren in der ersten Septemberwoche in Niedersachsen noch 40 Menschen über 60 Jahren mit Corona infiziert, so waren es in der letzten Woche bereits über 800. Die Verdoppelungsrate bei den Infektionen betrug im Sommer weit über 30 Tage, heute verdoppeln sich die Infektionszahlen alle sieben Tage.
Auf der Basis des Beschlusses der Bundeskanzlerin, des Bundeskabinetts und der Regierungschefinnen und -chefs der Länder wurde heute für Niedersachsen eine neue Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. Diese neue Verordnung tritt am 2. November 2020, also am kommenden Montag in Kraft. Die Maßnahmen werden zunächst bis zum 30. November 2020 befristet, dann tritt diese Verordnung außer Kraft. Es wird jedoch bereits jetzt darauf hingewiesen, dass Bund und Länder vereinbart haben, in zwei Wochen die Wirkung der jetzt getroffenen Maßnahmen zu überprüfen und etwaige Nachjustierungen vorzunehmen.
Die wichtigsten vier Grundsätze der neuen Corona-Verordnung befinden sich in § 1. Dort ist festgelegt, dass
1. jede Person Kontakte zu anderen Personen, die nicht dem eigenen Hausstand angehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren hat.
Darüber hinaus ist
2. soweit möglich Abstand zu jeder anderen Person einzuhalten.
3. Wenn ein solcher Abstand nicht eingehalten werden kann, muss eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. (Die näheren Einzelheiten zu Abstand und Alltagsmaskenpflicht ergeben sich aus den §§ 2 und 3).
4. Zudem gilt, dass jede Person private Reisen einschließlich tagestouristische Ausflüge sowie private Besuche vermeiden soll.
Der in wesentlichen Teilen neu gefasste § 2 der Corona-Verordnung enthält die Einzelheiten zu den Kontaktbeschränkungen und zum Abstandsgebot. Wichtig ist hier, dass man sich von Montag an in der Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Wohnung nur noch mit Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr.1 StGB und mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören, aufhalten darf. Angehörige im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 sind Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist, sowie Pflegeeltern und Pflegekinder.
Insgesamt ist die Zahl der gemeinsam in einer Gruppe in der Öffentlichkeit zulässigen Personen auf zehn Personen begrenzt. Für Kinder bis zwölf Jahren gilt weder die Begrenzung, dass sie nur aus zwei Haushalten stammen dürfen, noch die Obergrenze zehn. Damit können beispielsweise auch kleine Kinder aus mehr als einem anderen Haushalt mit von der Kita oder der Schule abgeholt werden oder mit auf den Spielplatz gehen.
Die Ziffern 3 bis 10 in § 2 Abs. 3 enthalten weitere Ausnahmen von dem Abstandsgebot. Ausdrücklich hingewiesen werden soll auf die Regel in § 2 Abs. 3 Ziffer 10: Bei sportlicher Betätigung kann auf den Mindestabstand verzichtet werden, wenn nur zwei Personen zusammen Sport treiben oder alle Sporttreibenden aus dem gleichen Hausstand stammen.
In § 3 Mund-Nasen-Bedeckung gibt es neben kleineren Anpassungen eine wichtige Klarstellung in Abs. 3: Die Streichung des Wortes ‚insbesondere‘ macht deutlich, dass nur noch Mund-Nasen-Bedeckungen zulässig sind, bei denen es sich um geeignete textile oder textilähnliche Barrieren handelt, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache verringern. Textilähnliche Barrieren sind bestimmte FFP2-Masken, die keine Textilien im engeren Sinne, sondern andere Materialien enthalten. Ausdrücklich ausgeschlossen durch diese Neufassung der Regel sind die sogenannten Visiere. Das wird auch noch einmal deutlich durch den neuen Satz 2 in § 3 Abs. 3: „Die Mund-Nasen-Bedeckung ist nur geeignet, wenn sie eng anliegt.“
Die nächsten hier erwähnenswerten Änderungen enthält § 5 mit der Regelung zur Datenerhebung und Dokumentation. Hier sind jedoch nur diejenigen Institutionen und Einrichtungen gestrichen worden, die – wie sich aus den nachfolgenden Paragraphen ergibt – bis Ende November geschlossen werden müssen.
Aus den in § 6 bei den Regelungen für private Zusammenkünfte und Feiern erfolgten neuen Regelungen ergibt sich Folgendes: Bei privaten Zusammenkünften und Feiern in der eigenen Wohnung, dem eigenen Haus oder anderen eigenen geschlossenen Räumlichkeiten sowie im eigenen Garten oder auf dem eigenen Hof oder auf sonstigen eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel sowie in der Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten dürfen ab dem 2. November 2020 nur noch bis zu zehn Personen zusammenkommen.
Diese zehn Personen dürfen aus nicht mehr als zwei Hausständen kommen, es sei denn es handelt sich um enge Angehörige im Sinne des § 11 Abs. 1 StGB (Aufzählung siehe oben), oder um Kinder bis zu einem Alter von zwölf Jahren. Das bedeutet, dass beispielsweise zwei bereits jeweils in einer eigenen Wohnung lebende erwachsene Kinder sich bei ihren Eltern treffen dürfen, obwohl diese kleine Gruppe aus mehr als zwei Hausständen stammt. Und es bedeutet auch, dass Kinder unter zwölf Jahren beispielsweise nachmittags nach der Schule gemeinsam zu dritt oder auch zu viert bei einem der Kinder in der Wohnung oder im eigenen Garten spielen dürfen. Auch bei all solchen Treffen bittet die Landesregierung jedoch ausdrücklich um Zurückhaltung, was die Zahl der Personen anbelangt.
Ganz wichtig: Private Zusammenkünfte und Feiern, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind verboten (§ 6 Absatz 2).
§ 7 der Corona-Verordnung enthält eine Neuregelung für Veranstaltungen mit sitzendem Publikum. Solche Veranstaltungen sind generell unzulässig, wenn sie der Unterhaltung dienen. Andere als Unterhaltungsveranstaltungen, also beispielsweise Veranstaltungen im beruflichen Kontext oder Vereinsvorstandssitzungen sind nur noch mit bis zu 50 Besucherinnen und Besuchern zulässig, wenn sichergestellt ist, dass diese jederzeit das Abstandsgebot von mindestens 1,5 m einhalten und alle ihre Sitzplätze einnehmen. Solange die Teilnehmenden nicht sitzen, müssen sie eine Alltagsmaske tragen.
Die zahlenmäßige Begrenzung gilt ausdrücklich nicht für Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapellen, Moscheen, Synagogen, anderen Glaubens- oder Gemeindehäuser sowie beim letzten Gang zur Grab- oder Beisetzungsstelle mit dem dortigen Aufenthalt. Diese Ausnahmen ergeben sich aus § 9 Abs. 1, auf den in § 7 Abs. 2 am Ende ausdrücklich verwiesen wird.
Aus § 8 der neuen Corona-Verordnung ergibt sich, dass Veranstaltungen mit mindestens zeitweise stehendem Publikum nur noch nach vorheriger Prüfung mit nicht mehr als 50 Besucherinnen und Besuchern durch die jeweils zuständige Behörde zugelassen werden können. Auch hier darf es sich nur um Veranstaltungen handeln, die nicht der Unterhaltung dienen.
In § 10 Absatz 1 der neuen Verordnung werden all diejenigen Einrichtungen aufgezählt, die ab Montag nächster Woche für den Publikumsverkehr und für Besuche geschlossen sind:
Restaurants und andere gastronomische Betriebe müssen schließen, ebenso Kneipen, Bars, Clubs und Diskotheken. Außer-Haus-Verkauf von Speisen zum Verzehr für zuhause bleibt möglich, gleiches gilt für Lieferdienste. Mensen, Cafeterien und Kantinen, die der Versorgung von Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern oder Studierenden der jeweiligen Einrichtung dienen, dürfen geöffnet bleiben. Geöffnet bleiben auch Gastronomiebetriebe in Senioren- oder Pflegeeinrichtungen, die der Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner dienen.
Geschlossen werden müssen außerdem alle Kultur- und Freizeiteinrichtungen, wie etwa Theater, Opernhäuser, Kulturzentren, Museen, Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen, Kinos, Freizeitparks Zoos, Indoor-Spielplätze sowie Freizeit- und Amateursportanlagen, auch Schwimm- und Spaßbäder und Fitnessstudios. Verboten sind leider den ganzen November über auch touristische Bus-, Schiffs- oder Kutschfahrten.
Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege, wie zum Beispiel Kosmetikstudios, Tattoostudios, Solarien und Massagepraxen, müssen schließen. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, und Ergotherapie- und Logopädie sowie Podologie/Fußpflege, bleiben weiterhin möglich. Friseursalons bleiben unter den bestehenden Hygieneauflagen geöffnet. Prostitutionsstätten jeder Art müssen im November geschlossen bleiben.
Aufgrund der stark ansteigenden Infektionszahlen sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, auf nicht zwingend notwendige Reisen zu verzichten. Ab 2. November 2020 dürfen – so § 10 Absatz 2 der neuen Verordnung – touristische Einrichtungen wie Hotels oder Pensionen in Deutschland Übernachtungsangebote nur noch für zwingend notwendige Zwecke, wie etwa Dienst- oder Geschäftsreisen, zur Verfügung stellen. Übernachtungsangebote in Hotels, Pensionen, Gästehäusern, Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen und Bootsliegeplätzen für touristische Zwecke sind dann in Niedersachsen nicht mehr gestattet. Reisende, die vor dem 2. November 2020 ihr Quartier bezogen haben, dürfen bleiben. Eigene Ferienwohnungen oder Ferienhäuser dürfen selbst benutzt werden, dies gilt auch für Dauercamper.
Auch der Groß- und Einzelhandel bleibt unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen, insgesamt geöffnet. Dabei ist sicherzustellen, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro 10 qm Verkaufsfläche aufhält. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 3 der neuen Verordnung.
Von den neuen Kontaktbeschränkungen weitestgehend unberührt bleibt der Bildungsbereich. Ganz im Gegenteil – es geht gerade auch um die Aufrechterhaltung der Bildungseinrichtungen. Kitas und Schulen bleiben weiterhin geöffnet, in den niedersächsischen Schulen wird weiterhin ein eingeschränkter Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler gefahren. Dies wird durch die Einschränkungen insbesondere im Freizeitbereich abgesichert und geschützt. Das Recht auf Bildung ist ein hohes Gut und nur durch gemeinsames Lernen kann der Bildungsauftrag in Schule erfüllt und Chancengleichheit gewahrt werden.
Auch die sonstigen Bildungsstätten insbesondere der Erwachsenenbildung oder der beruflichen Fort-, Aus- und Weiterbildung bleiben geöffnet ebenso die Hochschulen. Um den Infektionsschutz in den Schulen aber so hoch wie möglich zu halten, treten mit der neuen Verordnung ab dem kommenden Montag neue Regeln für den Schulbetrieb in Kraft.
Hier die wichtigsten Änderungen in Kürze (siehe § 13 der Verordnung):
Ordnet das Gesundheitsamt an einer weiterführenden Schule (Sek I und Sek II) eine Infektionsschutzmaßnahme an, muss für 14 Tage auch im Unterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Dies gilt nicht für den Primarbereich. Überschreitet die Stadt oder der Landkreis am Standort einer weiterführenden Schule (Sek I und Sek II) den Inzidenzwert von 50 (50 Neuinfizierte je 100.000 Einwohner in 7 Tagen), muss auch im Unterricht ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, so lange der Wert oberhalb dieser Marke liegt. Auch dies gilt nicht für den Primarbereich.
Überschreitet die Stadt oder der Landkreis am Standort einer weiterführenden Schule (Sek I und Sek II) den Inzidenzwert von 100, wechseln Schulen, an denen das Gesundheitsamt eine Infektionsschutzmaßnahme für mindestens eine Klasse angeordnet hat, automatisch in das Unterrichts-Szenario B. Das bedeutet: Unterricht mit geteilten Klassen abwechselnd zu Hause und in der Schule.
Dies gilt auch für die in § 12 geregelten Kindertageseinrichtungen: Ist der Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 in 7 Tagen überschritten und hat die Behörde zugleich eine Infektionsschutzmaßnahme für mindestens eine Gruppe angeordnet, greift Szenario B. Das bedeutet: Es gilt dann eine strenge Gruppentrennung und offene Konzepte sind untersagt.
Die in § 14 der Corona-Verordnung geregelte Maßgabe, dass die Besuchsrechte von Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen und anderen unterstützenden Wohnformen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfen, bleibt bestehen, auch Sterbebegleitung bleibt ausdrücklich zulässig.
Der neue § 16 der Verordnung regelt den auch im November noch zulässigen Spitzen- und Profisport. Dort finden sich die Anforderungen an das stets notwendige Hygienekonzept. Im Profisport darf es jedoch ab dem 2. November 2020 ausschließlich ‚Geisterspiele‘ geben.
Viele der am 2. November 2020 in Kraft tretenden Einschränkungen treffen Bereiche, in denen sich viele Menschen sehr für sichere Rahmenbedingungen engagiert haben. Jetzt aber müssen zur Durchbrechung der viel zu dynamischen Infektionsentwicklung sehr schnell und sehr gründlich die direkten Kontakte der Menschen reduziert werden so gut es irgend geht.