Grünenplan/ Hildesheim (kp). Im Mordprozess um eine getötete Frau aus Grünenplan geht Gutachter Dr. Tobias Bellin nicht von einer Affekttat aus. Vielmehr sei vom Täter eine fokussierte Aggressivität ausgegangen. „Ein gewisser Wille stand dahinter“, so der 44-jährige Sachverständige. Zudem sei beim Angeklagten weder eine Persönlichkeitsstörung, eine Suchtmittelproblematik noch eine massive intellektuelle Einschränkung festzustellen. „Er war im Stande zu verstehen, dass man einen anderen Menschen nicht angreift.“
Mord, Totschlag oder Totschlag in einem besonders schweren Fall?
Zu Beginn des vierten Prozesstages erklärte der vorsitzende Richter, Peter Peschka, dass bei der Urteilsfindung auch das Mordmerkmal „Grausamkeit“ (neben Heimtücke und niedrigen Beweggründen), so wie es der Staatsanwalt forderte, berücksichtigt werden könne. Zudem, so fügte er hinzu, könne statt wegen Mordes auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht kommen. Erkennt die Strafkammer hierbei einen besonders schweren Fall, kann ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden.
Für die Urteilsfindung hat die Aussage des Sachverständigen eine besondere Wichtigkeit. Hier, in diesem Fall, geht der Gutachter von einem Tötungswillen des Angeklagten aus. Eine Affekttat komme nicht in Betracht. „Eine Affekttat“, so sagt Dr. Tobias Bellin, „setzt eine Provokation voraus, Wut schießt ein, man verliert die Kontrolle und eine sofortige Handlung erfolgt.“ Diese Grundlage sieht er in der Vorgehensweise des 32-jährigen Angeklagten nicht. Dieser habe am Tattag zu viele „Hindernisse und Widerstände“ überwunden, um in die Wohnung seiner Frau zu gelangen und diese anzugreifen.
Selbst als ein 20-minütiger Kampf mit dem Vermieter erfolgte, wollte der Angeklagte immer noch nicht von seiner vor ihm auf dem Boden liegenden Frau ablassen. „Das ist für eine Affekttat viel zu lang“, stellt der psychiatrische Facharzt fest. „So schnell die Wut einschießt, so schnell braust sie auch wieder ab!“ Zudem sei zu keiner Zeit eine schwere Erschütterung über den Tod seiner Frau eingetreten.
Kinder sind stabil und leben in Pflegefamilie
Die drei vier-, sieben- und neunjährigen Töchter des Angeklagten leben zurzeit in einer Bereitschaftspflegefamilie des Landkreises Holzminden. Die Kinder, die den tödlichen Angriff des Vaters auf die Mutter mit ansehen mussten, konnten sehr schnell in einen stabilen und familiären Rahmen integriert werden, so sagte es die zuständige Sozialpädagogin im Zeugenstand. Dass die Kinder die Tat beobachtet haben, bestätigten die beiden älteren Töchter in Vernehmungen, die bereits im März stattgefunden haben und per Video festgehalten wurden. Die Vernehmungen wurden im Rahmen der Beweisaufnahme abgespielt. Beide Mädchen bestätigten, dass sie gesehen haben, wie der Vater die Mutter schlug und mit den Füßen gegen den Kopf trat.
"Viel über Tat gesprochen"
Nach der Tat sei viel über das Geschehen am 3. Januar mit den Kindern geredet worden, erklärte die Sozialpädagogin. Man sprach über den Tod der Mutter aber auch über den Vater. „Über den Vater erzählen sie nichts Positives, sie lehnen den Kontakt zu ihm konsequent ab“, so die Zeugin. Dieser habe seinen Kindern aus der Untersuchungshaft Briefe und selbstgemalte Bilder geschickt. „Wir leiten das nicht an die Kinder weiter, werfen es aber auch nicht weg, falls die Töchter sich irgendwann selbstständig entscheiden sollten, sich mit dem Vater auseinanderzusetzen.“
Therapeutische Maßnahmen erfolgen momentan nicht, so die Zeugin. „Wir schauen, wie sich die Geschehnisse auswirken werden und ob es irgendwann ausbricht“, erklärt sie. Bei Verhaltensauffälligkeiten würden sofortige Maßnahmen ergriffen werden.
Der Asylantrag der drei Kinder wurde im vergangenen Jahr abgelehnt, seitdem besteht jedoch ein Abschiebestopp. Inzwischen sucht man nach einer Familie für die drei Kinder. In der Bereitschaftspflegefamilie sollen sie nämlich nicht dauerhaft bleiben. Eines stellt die Sozialpädagogin jedoch klar: „Die Kinder sind zusammen und sie bleiben auch zusammen!“
Am Freitag, den 31. Mai, werden die Plädoyers gehalten.