Holzminden (red/fw). Schulabstinenz ist zu einem gesellschaftlichen Problem bei Kindern und Jugendlichen geworden, weil sie für die Betroffenen langfristig zu gravierenden Defiziten bei der Teilnahme am „Sozialen Leben in der Gemeinschaft“ führen.

„Die Schulverweigerer an sich ist die erste Form auffälligen, abweichenden Verhaltens“, teilt Projektleiter Hans-Josef Winter mit. Er und seine fünf ehrenamtlichen Mitarbeiter des Projekts „Schulverweigerer-Wecker“ haben das Ziel, sofort und unbürokratisch jeden einzelnen Fall zu bearbeiten und zu betrachten. Die Mitarbeiter sind alles sich im Ruhestand befindliche Polizei-, Justiz-, und Forstbeamte, die lediglich die Fahrtkosten ersetzt bekommen und mit Engagement und Herzblut dabei sind und sich für jeden einzelnen einsetzen. 

Nach Angaben des Projektleiters sollen möglichst zeitnah die Ursachen für die jeweilige Schulabstinenz erkannt und beseitigt werden, denn die Gründe zur Verweigerung vom Schulunterricht seien sehr vielschichtig. So erfolgt bereits binnen zwei bis drei Tagen, nach Eingang der Schulabwesenheitsmeldung, eine sofortige Kontaktaufnahme des „Schulverweigerer-Weckers“ mit den Schulabsentisten und den Eltern. Bereits fünf unentschuldigte Fehltage innerhalb eines bestimmten Zeitraums ist ein Signal für die Ehrenamtlichen.

Aufgrund des Datenschutzes sei es schwierig, an wirklich alle Schulverweigerer heran zu kommen. Daher basiert die Arbeit auf das freiwillige Mitmachen der Betroffenen, welche allerdings auch jederzeit wieder die Hilfe ablehnen können. Mit dem Einverständnis der Sorgeberechtigten wird die Nachhaltigkeit dieses Projektvorhabens verfolgt, indem die eingesetzten Schulverweigerer-Wecker täglich, wöchentlich oder auch monatlich bei jedem einzelnen Schulschwänzer Kontrollen und Überprüfungen durchführen. Ziel der Projektarbeit ist es, die schnelle Wiedereingliederung des Schülers beziehungsweise der Schülerin in die Schulgemeinschaft zu ermöglichen.

Alle Schulen des Landkreises Holzminden beteiligen sich an diesem Projekt und sind der Kooperationsvereinbarung mit Stadt, Landkreis, dem Amtsgericht Holzminden und der „Aktiven Hilfe e.V.“ beigetreten. (Wir berichteten)

Im Schuljahr 2017/18 sind dem Verein insgesamt 80 Schulverweigerer/innen im Alter von 14 bis 18 gemeldet worden. In 44 Fällen konnte erreicht werden, dass der Schüler/die Schülerin wieder den Unterricht besuchte. In zehn Fällen musste das Gericht wegen Verstoßes gegen die Auflagen und der Weigerung den Schulunterricht zu besuchen, Beugearreste von drei Tagen bis zu zwei Wochen verhängen. Wegen psychischer/psychiatrischer Auffälligkeiten wurde in drei Fällen eine ambulante psychotherapeutische Maßnahme mit allmähliger Rückführung in die Schule eingeleitet und umgesetzt. In fünf Fällen waren stationäre Maßnahmen durch die Jugendhilfe vonnöten, die vom Kreisjugendamt vollzogen wurden. In noch 18 Fällen ist die Betreuung durch den Schulverweigerer-Wecker nicht beendet und wird im neuen Schuljahr 2018/19 fortgesetzt.

„Wir sind in den ganzen Fällen nicht einmal auf Gegenwehr oder gar aggressives Verhalten uns gegenüber gestoßen, die meisten zeigen Dankbarkeit“, erklärt Winter.

Er teilte mit, dass eines der Projektziele gewesen sei, mindestens 20 Prozent der Schulverweigerer zum regelmäßigen Schulbesuch zurückzuführen. Das dieses Ziel mit 50 Prozent und mehr übertroffen wurde, zeigt, wie effektiv die ehrenamtliche Arbeit schon im ersten Jahr war. Bemerkenswerterweise für Winter sei hierbei festzustellen, dass in Fällen, wo Eltern und Schule den Schulverweigerer-Wecker frühzeitig gerufen hätten, von allen Betroffenen der Schulbesuch sofort wieder aufgenommen wurde.

Ein besonderer Verdienst kommt hierbei den ehrenamtlichen Mitarbeitern Siegfried Kaiser, Erhard Borgolte, Herwig Jürgens, Hans-Georg Riedel, Hartmut Loges und Klaudia Abel zu.

Das Projekt „Schulverweigerer-Wecker“ hat im ersten Jahr seines Bestehens viel Wert auf die Zusammenarbeit aller Verfahrensbeteiligten gelegt. Der Projektleiter bedankt sich für die offene Haltung zu Problemen und Bedürfnissen dieser ehrenamtlichen Arbeit bei den Schulen, der Landesschulbehörde, den Schulordnungsämtern, der Polizei, der Jugendhilfe, dem Gericht und allen Unterstützern, die durch Spenden dieses Projekt erst mit verwirklicht und finanziert haben.

Für das kommende Schuljahr wünscht sich Hans-Josef Winter ein weiter gutes, vertrauensvolles Zusammenwirken aller Beteiligten. Die Einhaltung der Schulpflicht sei eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben, deren Einhaltung sich allen Verantwortlichen verpflichtet fühlen sollten.

Das dieses Projekt schon im ersten Jahr so einen großen Erfolg hatte und das Ganze eine Perspektive hat, um den Schülern wieder Perspektive zu geben, hat auch die Braunschweigische Sparkassenstiftung erkannt. Regionales Beiratsmitglied der Brauschweig Stiftung, Oliver Fuchs, überreichte heute zusammen mit Sonja Rose, der Filialleiterin aus Holzminden, einen Spendenscheck im Wert von 1000 Euro. „Jede Spende ist Goldwert, auch wenn nur ein paar Jugendliche wieder auf den richtigen Weg gebracht werden, hauptsache es bewegt sich was“, verdeutlicht Fuchs.

Die „Aktive Hilfe e.V.“ finanziert sich ausschließlich aus Spenden und hofft auf weitere Unterstützung aus der Bevölkerung und Wirtschaft. Weitere Informationen unter www.aktivehilfe-holzminden.de.

Foto: fw